Im Taumel der Herzen - Roman
Sicherheit Schwierigkeiten machen, indem er zumindest für einen öffentlichen Skandal sorgte oder wegen der Missachtung des Vertrages womöglich sogar die Integrität ihrer Familie in Zweifel zog. Genau diese Gefahren hatten Julia selbst bisher die Hände gebunden. Geralds Genesung war noch nicht so weit fortgeschritten, dass er derartigen Schlägen schon wieder gewachsen war.
Gegenüber ihrem Vater aber erwähnte Julia ihre Bedenken nicht. Sie nickte, um ihm das Gefühl zu vermitteln, dass sie ihm recht gab. Aber sie konnte ihm noch nicht recht geben –
nicht, solange sie nicht wenigstens persönlich mit dem Grafen gesprochen und ein allerletztes Mal versucht hatte, ihn zur Vernunft zu bringen, damit sie diese unselige Verlobung in gegenseitigem Einvernehmen auflösen konnten.
25
E r ließ sie warten! Einen gottverdammten halben Tag lang!
Julia hatte Milton Allen, den Grafen von Manford, nicht mehr gesehen, seit fünf Jahre zuvor durch den Unfall ihrer Eltern ihr ganzes Leben aus den Fugen geraten war. Zwar war der Graf zur Beerdigung ihrer Mutter erschienen und hatte Julia scheinheilig sein Beileid ausgesprochen, doch in Wirklichkeit war er nur in die Stadt gekommen, um in die Wege zu leiten, dass ihm die Vormundschaft für sie übertragen wurde. Die Anwälte ihrer Familie hatten ihr berichtet, wie wütend er geworden war, als ihm das nicht gelang. Er hätte dadurch bekommen, was er schon die ganze Zeit wollte: die alleinige Kontrolle über alles, was den Millers gehörte.
Julias letzter Besuch in Willow Woods lag noch länger zurück. Nun, da sie erwachsen war, fand sie das Haus bei Weitem nicht mehr so beeindruckend wie als Kind. Ob es damals auch schon so verwahrlost gewirkt hatte? Sicher nicht. Allerdings stimmte der schlechte Zustand des Gebäudes sie noch zuversichtlicher, dass es ihr endlich gelingen könnte, die Verbindung zu den Allens zu kappen. In der Vergangenheit hatte der Graf sich geweigert, eine Entschädigungszahlung anzunehmen und dafür den Vertrag aufzulösen, doch wenn es um seine Finanzen mittlerweile so schlecht stand, dass er nicht einmal mehr sein Haus instand halten konnte, würde er diese Lösung nun vielleicht akzeptieren.
Julia hatte ihre Zofe in dem nahegelegenen Gasthaus zurückgelassen. Nachdem der Wirt sie beschuldigt hatte, für die in der Vorwoche angerichteten Verwüstungen seiner Räumlichkeiten verantwortlich zu sein, konnte sie sich wohl glücklich schätzen, überhaupt noch ein Zimmer bekommen zu haben. Obwohl ihr völlig schleierhaft war, wovon der Mann sprach, hatte sie ihn zum Schweigen gebracht, indem sie ihm den dreifachen Preis für das Zimmer bezahlte. Dabei hatte sie ohnehin nicht vorgehabt, dort zu übernachten, weil sie sich am Vorabend bereits in einem viel schöneren Gasthaus eingemietet hatte. Genau wie ihre Mutter aber hatte sie den Wunsch verspürt, sich in Ruhe ein wenig frisch zu machen, ehe sie sich zu ihrer Audienz beim Grafen begab.
Dieses Mal reiste sie per Kutsche, sodass sie nicht wieder Raymond bitten musste, sie zu begleiten, sondern statt seiner ihre Zofe mitnehmen konnte. Leider kam man mit der Kutsche so viel langsamer voran als zu Pferde. Nachdem der Graf sich bisher nicht herabließ, sie zu empfangen, musste sie vermutlich froh sein, wenn sie es schaffte, Willow Woods vor Einbruch der Dunkelheit wieder zu verlassen. Es war also durchaus möglich, dass ihre Reise nun nicht wie geplant drei, sondern vier Tage dauern würde.
Sie hatte ihrem Vater verschwiegen, wo sie hinwollte. Bestimmt hätte er versucht, sie von ihrem Vorhaben abzubringen, und es vermutlich auch geschafft. Stattdessen hatte sie ihm erzählt, sie müsste eine kurze Geschäftsreise in den nördlichen Teil des Landes unternehmen. Sie belog ihn nicht gern, wollte aber nicht, dass er sich während ihrer Abwesenheit Sorgen machte. Sie würde ihm alles erklären, wenn sie – hoffentlich mit guten Nachrichten – zurückkam. Falls der Graf sich je blicken ließ.
Nicht einmal Charles war zu Hause, um ihr Gesellschaft zu leisten. Der Butler hatte ihr erklärt, er besuchte gerade mit seinem
Sohn den anderen Großvater des Jungen und wäre von diesem Ausflug noch nicht zurückgekehrt. Deswegen verging die Zeit an diesem Nachmittag schleppend langsam. Allmählich stieg ein Gefühl von Wut in ihr hoch.
Tatsächlich wurde es bereits dunkel, als Milton sie schließlich in sein Arbeitszimmer führen ließ. Sie zweifelte keinen Moment daran, dass er sie absichtlich den ganzen
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