Im Taumel der Sehnsucht
war auf der Suche nach dir. Paul schlug mir vor, doch in der Bibliothek nachzusehen, und St. James folgte mir. Rachel wollte ihn dafür bezahlen, mich in eine kompromittierende Situation zu bringen. Tja, wie du siehst, weiß die ganze Welt, wie eifersüchtig du bist - die ganze Welt, bis auf deine dumme, naive Frau! St. James meinte, er brauchte dringend Geld. Und weißt du, daß ich ihm noch allen Ernstes versichert habe, daß du ohnehin mir glauben und aus der Situation keine falschen Schlüsse ziehen würdest? Nun, ich habe mich offenbar geirrt.« Der letzte Satz ging beinahe in einem leisen Schluchzen unter.
»Du verdrehst die Tatsachen«, fauchte Bradford. »Du warst doch diejenige, die mir versprochen hat, nicht von meiner Seite zu weichen. Ein einziges Mal drehe ich dir den Rücken zu, und schon -«
»Ich habe dich gesucht!« unterbrach sie ihn. »Ich habe einen Fehler gemacht.«
»Das hast du allerdings.«
»Mein Fehler war es, dich zu heiraten. Mein Fehler war es, mein ganzes Vertrauen in dich zu setzen. Mein Fehler war es, dich zu lieben. Doch Liebe und Haß liegen sehr nah beieinander, und in diesem Moment glaube ich fast, daß ich dich hasse! Und daran bist du selbst schuld.« Sie hielt inne, um Luft zu holen, und setzte dann wütend hinzu: »Du preßt langsam aber sicher die ganze Liebe aus mir heraus.«
Dann drehte sie ihm den Rücken zu und begann sich auszuziehen, als würde er für sie überhaupt nicht mehr existieren.
Als sie nur noch ihr Hemd trug, wollte sie ins angrenzende Zimmer gehen, um sich ihren Hausmantel zu holen, doch Bradford stellte sich ihr in den Weg.
»Warum siehst du mich so finster an, Bradford? Du solltest dich doch freuen«, sagte sie eisig. Sie konnte sich nicht mehr zurückhalten und steigerte sich fast befreit in ihren Zorn hinein. »Seit dem Tag, an dem wir uns kennengelernt haben, lauerst du doch darauf, daß ich dich irgendwie betrüge oder verrate. Du bist dir doch sicher, daß ich genau wie alle anderen bin, und habe ich dir nicht gerade bewiesen, daß du recht hast? Ich bin nicht besser als eine Käufliche, nicht wahr?«
»Wovon redest du?«
»Du glaubst, es sei deine Pflicht, mich vor mir selbst zu schützen, ist es nicht so? Wir armen Frauen sind so schwach, und natürlich besitzen wir kein angeborenes Gefühl für Anstand und Ehre. Ach, wir können es einfach nicht lassen, mit dem nächstbesten Mann ins Bett zu springen, stimmt's? Sag mir eines, Bradford: Wie ist es mir bloß gelungen, bis zu unserer Hochzeit Jungfrau zu bleiben?«
»Verdammt, rede nicht so einen unverständlichen Unsinn.« Er hatte nicht vorgehabt, sie anzubrüllen, aber sie kam der Wahrheit viel zu nahe, als es ihm lieb war.
»England ist ein scheußliches Land«, flüsterte Caro line. »All die Jahre, die ich in Boston gelebt habe, mußte ich mich nur ein einziges Male mit solchen Schuften auseinandersetzen. Es waren drei Männer, betrunken, und ich befand mich in der falschen Gegend. Aber hier, in diesem Land, kann ich hingehen, wohin ich will... überall werde ich bedroht, attackiert und beleidigt. Und, lieber Gott, es handelt sich noch nicht einmal nur um Fremde. Mein eigener Mann greift mich mit seinen widerlichen Vermutungen an. Ich will nach Hause. Ich will nach Boston zurück.«
Und dann begann sie wieder zu weinen.
»Caroline, ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, daß ich sehr aufbrausend bin.«
»Es ist sinnlos, einen Tauben anzubrüllen oder von einem Blinden zu verlangen, herzusehen. Heute abend habe ich begriffen, daß du Ansichten hast, die so tief verwurzelt sind, daß du dich niemals ändern wirst. Du wirst mir niemals wirklich vertrauen. Du kannst es gar nicht. Ich hätte dich niemals heiraten dürfen!«
»Du hattest keine Wahl«, stellte Bradford fest. Ihre zornigen Worte ließen seine Wut neu aufflammen. Es war unfaßbar, daß sie es wagte, so mit ihm zu reden.
Caroline war inzwischen ins Bett geschlüpft und zog sich die Decke über. Dann drehte sie ihm den Rücken zu.
»Wärst du so freundlich, mein Schlafzimmer zu verlassen?« fragte sie. Sie zitterte vor Kälte und aus Verzweiflung und wußte, daß es nur eine Frage der Zeit war, bis sie wirklich zusammenbrach und einen Weinkrampf bekam. Sie wollte nur mit ihrem Elend alleingelassen werden. Erst, wenn ihre Tränen versiegt waren, konnte sie vernünftig darüber nachdenken, was sie tun sollte.
»Du verdrehst die Tatsachen, Frau. Himmel, wie immer verdrehst du die Tatsachen«, murmelte Bradford. »Du hast
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