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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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voll. Aber es ließ ihn kalt, gänzlich kalt, ja mehr noch: Wenn er sich all den schalen Glanz auc h nur vorstellte, verspürte er Widerwillen, einen beinahe körperlichen Ekel. Wir bewegen uns in entgegengesetzte Richtungen, wollte er sagen, mein einziger Wunsch ist, alles abzuwerfen, abzuschütteln, hinter mir zu lassen, was mir von meinen Eltern, meiner Herkunft, meinem Land, meiner kalten Nebelwelt aufgebürdet und umgehängt und in die Haut geschnitten worden ist. Aber das hätte Paul nicht verstanden oder ihm, schlimmer noch, nicht geglaubt. Am ehesten würden die beiden sich beruhigen, dachte Robert, wenn er zum Schein auf ihr Angebot einging. Auf keinen Fall durfte er sich anmerken lassen, daß er an ihren Reichtümern nicht interessiert war oder gar, daß er die Zeichen auf der Schatzkarte sowenig wie sie selbst zu entziffern vermochte.
    »Ich will nicht mehr haben, als recht und billig ist«, sagte er zu Paul, um einen gelassenen Tonfall bemüht. »Da wir zu viert sind, Miriam eingeschlossen, soll jeder ein Viertel des Schatzes bekommen, nicht mehr und nicht weniger. Wie lange sie uns hier noch festhalten werden, weiß ich auch nicht, aber ich denke doch, daß sich mir in den nächsten Tagen einmal die Gelegenheit bieten wird, in der Stadt umherzuschweifen. Dann will ich...«
    »Morgen ist unsere letzte Chance«, fiel ihm Paul ins Wort.
    »Vorhin hörte ich, wie zwei der Wachaffen sich draußen im Gang unterhielten: Die britische Armee steht zwei Tagesmärsche vor Kantunmak. Spätestens übermorgen ist hier die Hölle los!«
    Bestürzt sah Robert zu ihm auf. So bald schon sollte der Kampf beginnen? Nach der Prophezeiung würde er selbst heute in acht Tagen »im Strom vergossenen Blutes hingehen« - sollte das etwa heißen, daß die Soldaten Ihrer Majestät und die Krieger der Maya fast eine Woche lang gegeneinander kämpfen wurden? Langsam, dachte er dann, glaubte er selbst denn etwa, daß sich die Prophezeiung in allen Punkten erfüllen würde? Angst stieg in ihm auf, bisher hatte er es vermieden, sich auch nur von ferne vorzustellen, wie die »große Schlacht« verlaufen würde, da er nur allzu deutlich ahnte, daß die Mayakrieger mit ihren Äxten und Speeren gegen die königliche Infanterie keinerlei Chance besaßen. Doch jetzt sah er sich auf einmal, in wirren, blutroten Bildern, wie er eine klobige Steinaxt schwang, uniformierte Arme abschlug, bleiche Hände, dürre Infanteristenschenkel, Tag um Ta g, unermüdlich, aufgepeitscht vom Wahnsinn der Männer, bis sich die blutigen Gliedmaßen um ihn herum zu hohen Wällen türmten.
    Er sah in Pauls Gesicht, seine Augen, die vor Erwartung oder Ungeduld zusammengekniffen waren, und so rasch, wie sie über ihn gekommen war, verblaßte die Vision. Unsinn, versuchte er sich zu beruhigen, der ungleiche Kampf würde sicher schon nach kürzester Frist beendet sein. Doch etwas in ihm sträubte sich gegen diese Vermutung, denn sie bedeutete, daß die ganze Prophezeiung abergläubischer Unfug sei.
    »Keine Sorge«, sagte er endlich zu Paul, in beiläufigem Tonfall, wie er hoffte, »wenn es sich so verhält, werde ich eben dafür sorgen, daß morgen alles Erforderliche geschieht.«
    Paul schien vorauszusetzen, daß seine Worte sich auf den Schatz bezogen, jedenfalls nickte er ihm zu, mit zufriedener Miene, und kehrte in seine Nische zurück. Gleich darauf hörte Robert, wie sich die drei am anderen Ende des Gewölbes tuschelnd berieten, und es dauerte nicht lange, bis Stephens und Pauls aufgekratztes Lachen erschallte, in das Miriam indessen nur halbherzig einzustimmen schien.

9
     
     
    Wie weit der Tag fortgeschritten sein mochte, in ihrem Gewölbe hätte es niemand zu sagen gewußt, aber Robert nahm an, daß draußen bereits der Abend dämmerte. Vorhin hatten ihre Wächter ihnen wieder Schalen mit zähem Brei aus Reis und Bohnen gebracht sowie Wasser in bauchigen Amphoren. Robert hatte nur ein wenig von dem lauen Wasser getrunken und eine Handvoll Brei aus dem Trog gekratzt, ohne sich aus seiner Hängematte zu erheben. Niedergeschlagenheit hatte sich seiner bemächtigt, immer tiefer versank er im Trübsinn, einer widrigen Mischung aus Angst und Apathie, Argwohn und flackernder Hoffnung.
    Ixnaay verbarg etwas vor ihm, und dieser Verdacht, die Ahnung, daß sie vor ihm gleichsam eine Maske getragen hatte, quälte ihn mehr als alles andere. Wie nur war es zu erklären, daß sie ein so vorzügliches Englisch sprach? In Fort George hatte er öfter gehört, wie Schwarze

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