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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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starke Arme. Die beiden jüngeren Abgesandten trugen dich zum Kai zurück, damit kein Schatten, von was auch immer, auf sie oder dich fallen konnte. Als sie sahen, daß deine beiden Gefährten, der dicke Mann und der magere Rotfuchs, das Meer entlangkamen, ließen sie dich auf der Straße liegen, so daß die beiden dich finden mußten.«
    Sie hob ihre Arme und legte sie um Roberts Nacken. Für einen Moment erstarrte er wieder, dann schlang auch er seine Arme um sie, durch ihren Blick ermutigt, und sein Herz begann aufs neue heftig zu schlagen.
    »Nun weißt du alles, was für den Moment wichtig ist.« Sie drängte ihren schlanken, warmen Le ib so eng an ihn, daß er ihre Brüste an seiner Brust spürte. Das schwarze Vogelnest tanzte auf ihrem Kopf, als sie sich in seinen Armen zurückbog und ihre Lippen sich für ihn öffneten.

8
     
     
    »Konntest du dich draußen frei bewegen? Warst du bei der Pyramide, die auf der Karte eingezeichnet ist?« Seit Robert in das Gewölbe zu ihnen zurückgekehrt war, bestürmten ihn die Gefährten mit Fragen. »Und hast du dort Wächter gesehen, vor dem Bauwerk oder in der Nähe?«
    Robert hatte sich gleich in seine Hängematte fallen lassen, im linken hinteren Winkel ihres Gewölbes. Von der Tatkraft und Zuversicht, die ihn vorhin noch beflügelt hatten, war nichts zurückgeblieben, im Gegenteil: Mit jedem Schritt, den er sich, hinter Ja'much hertrottend, vom Jaguartempel entfernte, hatte er sich wieder matter und trübsinniger gefühlt, wie ein Bergsteiger, der vom hellen Gipfel ins nebelerfüllte Tal hinuntersteigt.
    »Nicht, daß uns eine Handvoll Wachaffen erschrecken könnten, aber es ist immer besser, wenn man vorher Bescheid weiß.« Das war natürlich Paul, der ohne Umschweife aus seiner Ecke herübergekommen war. Mit der linken Hand zwirbelte er seinen Schnauzbart, seine rechte vollführte wegwerfende Gebärden im fahlen Licht der Fackeln, die ringsum an den Wänden loderten.
    Rasch spähte Robert zu Henry und Ajkech hinab. Die beiden hockten am Boden unter den Hängematten, zwischen ihren Gepäckstücken, die zwischenzeitlich hierhergeschafft worden waren. Der Mestize und der kleine Krieger sahen aufmerksam zu ihm und Paul empor, und ihre Mienen verrie ten, daß sie auf neuerliche Zwischenfälle gefaßt waren.
    »Tut mir leid, Paul«, sagte Robert, indem er Ajkech und Henry beschwichtigend zunickte, »ich bin überhaupt nicht nach draußen gekommen. Die ganze Stadt wimmelt vor Kriegern, aber auch das habe ich nur aus der Ferne gesehen, von einer Terrasse auf halber Höhe des Palastes. Die grauen Priester haben mich keine Minute aus den Augen gelassen.«
    Pauls Augen blitzten auf, mit einem zornigen Ruck drehte er sich zu Stephen um, der am anderen Ende des Gewölbes stand, die Arme vor der Brust verschränkt. Gleich würden sich die beiden wieder ereifern und ihn als Verräter beschimpfen, dachte Robert, aber als Paul sich erneut zu ihm umwandte, trug er eine unerwartet friedfertige Miene zur Schau. »Laß uns noch mal in Ruhe über alles reden, Robert«, sagte er.
    Grauer Qualm waberte durch den Raum und verbreitete einen drückenden Geruch nach Pilzen und feuchtem Holz. Einen Moment lang lauschte Robert in sich hinein, auf das dumpfe Pochen, das sich hinter seiner Stirn erneut zu regen begann. Sogleich sah er wieder Ixnaay vor sich, ihre zauberhaft schönen Züge, und vernahm aufs neue ihre melodische Stimme, die ihn vorhin so sehr betört hatte. Doch seit sie auf der Pyramide des Jaguargottes entschwunden war, buchstäblich wie ein Schatten, von einem Moment zum anderen unsichtbar geworden, wuchsen in ihm Zweifel und Unbehagen.
    »Natürlich sind wir enttäuscht über deine Raffgier, die dich jede Kameradschaftlichkeit vergessen läßt«, sagte Paul, »und der Verlust ist für Stephen und mich mehr als schmerzlich. Aber das braucht dich ja nicht zu bekümmern.« Er unterbrach sich und sah Robert, der sich in seiner Hängematte wiegte, beschwörend an. »Also kurz und gut, ein Drittel des gesamten Schatzes soll dir gehören, wenn du uns hilfst, ihn ausfindig zu machen.«
    So matt und trübe Robert sich auch fühlte, beinahe hätte er Paul ins Gesicht gelacht. Enttäuscht über meine Raffgier? Vor seinem geistigen Auge ließ er die Schätze vorüberziehen, die Stephen und Paul sich immer wieder mit ausmalten, unersättlicher Begierde: goldene Götterköpfe und Opferschalen, Silberschmuck und Jadefiguren in berauschenden Mengen, ganze funkelnde Kammern und blitzende Säle

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