Im Tempel des Regengottes
Zorn vermengte.
Auf der Wand zu seiner Linken war ein düsterer Thronsaal dargestellt, prangend in dunklem Rot und Braun. Eine hundsgestaltige Gottheit hockte auf dem Thron, mit plumper Schnauze und spitzen Ohren, an ihrer Seite die Mondgöttin. Kein Zweifel, dachte Robert, das mußte Ixquic sein, eine junge Frau von überwältigender Schönheit, die silberne Mondsichel in der schwarzen Flut ihres Haars. Die Göttin war nur mit einem silbernen Schurz bekleidet, ihre vollen Brüste entblößt. Sie saß der Hundegottheit zugewandt, lächelnd, mit strahlenden Augen, ihre Lippen ein wenig geöffnet, als ob sie im Begriff wäre, die plumpe Schnauze zu küssen.
Robert wandte sich von dem widrigen Anblick ab, aber es half nichts. Der Thron stand in einem weiten Saal, und überall auf dem Boden hockten Hunde oder streiften schnüffelnd umher. Es mußten Dutzende sein, schwarze und braune, mit struppigem oder glattem Fell. Unterhalb des Throns aber saß eine Schar junger Priesterinnen, in silberfarbenen Gewändern, die Mondsichel Ixquics im hochgesteckten Haar. »Laß das!« kreischte aufs neue die helle Stimme, Mary oder Miriam, und da erwachten die Hunde zu spukhaftem Leben, auf die Priesterinnen zuschnürend, den Thron mit heiserem Hecheln umkreisend. Und als Robert eine der Priesterinnen schärfer in den Blick faßte, war es Ixnaay, kein Zweifel: meine Ixnaay, und dann schrie er auf, vor Entsetzen und Empörung, als sich die Meute der Hunde auf die jungen Priesterinnen stürzte.
Robert knirschte mit den Zähnen, es konnte, es durfte nicht sein! Daß die Priesterinnen sich auf alle viere niederließen, von rempelnden Schnauzen und gefletschten Zähnen genötigt. Daß die Hunde ihnen aufhockten, mit breiten Zungen über ihre Rücken leckten, hechelnd in sie hineinstießen. Robert starrte auf die abscheuliche Szenerie, nur Ixnaay sträubte sich noch gegen den Hund, der ihr wieder und wieder seine Schnauze in die Seite stieß. Jetzt erst bemerkte er, daß er schrie, ein unartikuliertes Brüllen, und an den Riemen zerrte, die ihn an seine Trage banden. Endlich gelang es ihm, Ixnaays Namen zu rufen, und sie sah ihn an, mit einem krampfhaften Lächeln, als wollte sie ihn beruhigen oder trösten. Das brachte ihn noch mehr auf, außer sich riß er an den Riemen, und als er aufs neue zu ihr hinsah, war die Gestalt über ihr kein großer brauner Hund mehr, sondern ein stiernackiger Offizier, dem die königlichen Uniformhosen in den Kniekehlen hingen. Das also, das also! dachte Robert, die »offene Dolchwunde«!
Wieder wurde ihm flüchtig bewußt, daß die berauschenden Dämpfe diese Bilder vor seinen Augen entstehen ließen, zumindest verzerrten, aber es half nichts, im Gegenteil: Seine Blicke jagten durch den spukhaft belebten Raum, und der Hundsgott auf dem Thron trug nun die Züge des Gouverneurs von Fort George. Abermals sah er zu Ixnaay hin, und da war sie nackt, und der Offizier lag auf ihr, und sie schlang die Beine um seine Mitte und jauchzte im Takt seiner zuckenden Hüften. Und Robert schrie und schrie und schlug um sich und bekam endlich jemanden zu fassen, den britischen Offizier, dachte er, seinen feisten Hals, und drückte zu, mit beiden Händen, so fest er konnte.
»Herr, bitte, Herr, hör auf!« Mabos Stimme, heiser vor Angst. Nebel wallten vor ihm empor, seine Hände sanken herab. Eine schmale Gestalt taumelte zurück, die Augen weit aufgerissen,
keuchend und hustend.
»Du hast geträumt, Herr. Ajkech hat sich im Laufen über dich gebeugt, um dich zu wecken, und da hast du ihn am Hals gepackt. Bist du verletzt, Herr?«
»Ich, wieso ich?« Robert fragte es, ohne Ajkech aus den Augen zu lassen, der seinen Blick angstvoll erwiderte.
»Du hast Ajkech auf dich heruntergerissen, Herr. Da mußten wir beide die Bahre loslassen, und ihr seid zusammen zu Boden gekracht. Du hast ihn gewürgt und geschrien: ›Hund, Hund!‹«
Versuchsweise bewegte Robert Arme und Beine. Offenbar hatte er sich keine Verletzung zugezogen, seine Bahre allerdings war durch den Sturz beschädigt worden. Das ganze Fußende schien abgebrochen, er spürte die zersplitterte Bruchkante in den Kniekehlen und unter seinen Fersen den nassen Steinboden.
Ajkech lehnte an der Mauer, inmitten des Gemäldes, neben dem Thron des Hundsgottes. Rasch ließ Robert seinen Blick über das Bild schweifen, den Saal voll hockender Hunde, die gedrängte Gruppe der Priesterinnen zu Füßen der Göttin Ixquic. Aber vo n Ixnaay war weit und breit nichts zu
Weitere Kostenlose Bücher