Im Tempel des Regengottes
erfüllt von eigentümlich nüchternen Gedanken. Wenn Mabo nur seinen Blick bemerken würde! Aber der Mestize schien nun gänzlich im Bann des Schatzes gefangen zu sein. Wie Miriam, Stephen und Paul schüttelte er seinen Leinensack auf und begann, mit raschen Bewegungen Kleinodien hineinzuschaufeln, Gold und Silber, Jade und Edelsteine, Bruchstücke oder ganze Idole, mit raschen, mecha nischen Bewegungen, als ob es Kohlestücke wären.
Schnell waren die Säcke gefüllt und zugebunden, doch der Haufen war kaum kleiner geworden. »Was jetzt?« Mit gespreizten Fingern striegelte sich Paul die schweißnassen Haare aus der Stirn. »Das können wir doch unmöglich alles hier lassen!« Er deutete auf die funkelnde Pracht zu ihren Füßen und spähte zugleich im Gewölbe umher, offenbar auf der Suche nach weiteren Behältnissen. »Dein Hemd.« Er sah Mabo an. »Runter damit. Auf einen nackten Affen mehr kommt's auc h nicht mehr an.«
Mit angehaltenem Atem wartete Robert, wie der Mestize reagieren würde. Nun schau endlich zu mir her! dachte er, aber Mabo wandte ihm den Rücken zu und schien weder ihn noch Ajkech zu beachten. Er sah von Paul zu Stephen, dann senkte er den Kopf und knöpfte das Hemd auf, das Robert ihm an jenem Abend beim Victoria Camp übergeworfen hatte. Darunter trug er nur noch den traditionellen Schurz der Maya, und Paul warf ihm einen höhnischen Blick zu, verkniff sich aber weitere Bemerkungen. Wortlos riß er Mabo das Hemd aus den Händen, knotete die Enden zusammen und schaufelte weitere Gold-und Jadestücke hinein.
Währenddessen hatte Stephen begonnen, goldene Götterköpfe, Silber-und Jademasken aufzufädeln, auf einem daumendicken Seil, das er jeweils durch den Mund oder die Augenhöhlen der Idole führte. Nachdem er Mabos Hemd gefüllt hatte, tat Paul es ihm gleich, mit einem weiteren Seil und in fliegender Hast, so daß ihm immer wieder einzelne Kleinodien aus den Händen fielen.
Die Fackel flackerte, draußen vor der Türschwelle röchelte Ajkinsaj, und Roberts Gedanken wirbelten ebenso rasch wie die Hände der Schatzräuber. Er sah sich schon gemeinsam mit Ajkech und Mabo fliehen, in wilder Hast durch den Dschungel, Mayakrieger und britische Soldaten gleichermaßen foppend. Sieh doch endlich her zu mir! versuchte er Mabo zu beschwören. Aber der Mestize hatte auch seinerseits begonnen, Idole und Masken auf einem Seil aufzufädeln, mit dem Rücken zu Robert, der verzweifelt überlegte, unter welchem Vorwand er Mabo aus der Schatzkammer locken könnte. Noch immer graute ihm bei dem Gedanken, die Kumpane und Miriam hier unten einzusperren, was nichts anderes bedeuten würde, als sie bei lebendigem Leib zu begraben, dem Hungertod preisgegeben wie einst das Pferd von Cortes, das die Maya von Tayasal mit Gold und Weihrauch gemästet hatten. Aber es ist meine einzige Chance, dachte er und hob sogar einen Fuß, um Mabo von hinten anzustupsen, doch der Mestize reagierte nicht einmal auf dieses Zeichen, sondern fädelte weiter, inmitten der Schätze kauernd, glotzäugige Idole auf sein Seil.
Während er seinen Fuß zurückzog, spürte er Miriams Blick auf sich und sah widerstrebend zu ihr hin. »Der Affenkönig«, sagte sie, »lauf schon, Robert, und bring seinen Kittel her.« Ihre Stimme klang fremd und heiser, und in ihren Augen war ein Glanz, der ihn erschauern ließ.
Sogleich wandte er sich um und schritt, weiterhin auf Ajkech gestützt, zur Tür zurück. »Ich beeile mich«, sagte er, »aber allein werden Ajkech und ich es nicht schaffen.« Sein Herz begann heftig zu klopfen. »Mabo soll mir helfen.«
»Zum Donner, Mabo bleibt hier.« Das war Stephen, seine dunkle Stimme vibrierend vor Argwohn. »Aber keine Sorge, ich helfe dir.« Er schlang sich das mit Idolen behangene Seil um Schulter und Hüften und stapfte scheppernd und klirrend auf Robert zu. »Sowieso brauchen wir nicht nur seinen Kittel, sondern den Affen dazu.«
Robert sah ihm entgegen, und für einen verstörenden Moment glaubte er wieder seinen Vater vor sich zu sehen, seine massige Gestalt, die stets vorwurfsvolle Miene, seine Rechte halb erhoben wie zum Hieb. Aber der Moment ging vorbei, es ist nur Stephen, sagte sich Robert und faßte ihn schärfer in den Blick, wie er auf ihn zustapfte: wirrbärtig, zerlumpt, mit Idolen behangen wie ein Totempfahl. »Wenn du meinst«, sagte er in beiläufigem Ton.
Stephen fletschte nur die Zähne zu einem Grinsen und stampfte scheppernd an ihm vorbei. Vor der Türschwelle bückte er sich,
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