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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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mit seinem Reiter unter zermürbendem Wiehern im Kreis zu drehen.
    Sie saßen auf, und tatsächlich begann sein Pferd gleich wieder nervös zu schnauben und mit den Vorderhufen im Laub zu scharren. Da beugte sich Mabo zu dem Wallach hinüber und summte ihm im Reiten eine Melodie ins Ohr, die das Roß schier zu bezaubern schien. Es senkte den Hals, und fortan trottete es brav hinter Pauls Fuchsstute und dem Rappen drein, den Paul neben sich am Zügel führte.
    So ritten sie langsam in den Wald zurück, wohl zehn Minuten denselben elenden Pfad hinab, den sie erst gestern unter solchen Mühen erklommen hatten. Immer wieder hielt Paul an, eine Hand erhoben. Dann lauschten und spähten sie alle vier in den Wald hinein, Robert mit heftig schlagendem Herzen, während Paul nun wieder gefaßt und Herr der Lage schien.
    Selbst als die Wolken über ihnen abermals zerbarsten, Donner grollte, Wasserfluten herniedertosten und Blitze die Wildnis mit bleichen Netzen zu umspinnen schienen, wahrte Paul Ruhe und Übersicht. Weiterhin voranreitend, deutete er auf einen Hügel von rundlicher Form und vielleicht fünfzehn Fuß Höhe, der sich inmitten von Dunst und Dickicht erhob, einige Dutzend Schritte rechter Hand des Pfades. Dann verließ er den Knüppelweg, eine magere Gestalt auf ebenso ausgemergelter Mähre, und trabte, Stephens massigen Rappen mit sich ziehend, quer durchs Unterholz auf die Erhebung zu.
    Robert und die beiden Mestizen folgten ihm, und als sie vor dem vermeintlichen Hügel absaßen, hatte Paul bereits einen abgestorbenen Dornbusch zur Seite gezogen und einen schmalen Einlaß in der Flanke des Bauwerks freigelegt. Zum ersten Mal stand Robert vor einem jener magisch wirkenden Bauten, die er auf Catherwoods Bildern so oft bewundert und in seinen Träumen noch häufiger betreten hatte, einem kunstvoll errichteten Gebäude der alten Maya, das im Lauf der Jahrhunderte drei Fuß tief mit Schlamm und Erde bedeckt worden war und auf dessen Dach und Wänden Buschwerk wucherte, Gras und sogar zwanzig Fuß hohe Bäume wuchsen und das gleichwohl den Zeiten und Gewalten widerstanden hatte.
    Bei weiterhin strömendem Regen trat Paul in das finstere Gewölbe. Robert schritt hinterdrein, unwillkürlich die Luft anhaltend, da ihm Modergeruch entgegenschlug. »Hier werden wir bis zur Abenddämmerung in Deckung bleiben«, sagte Paul, und seine Stimme hallte von den Wänden wider. »Bis dahin hat Stephen unten am Fluß alles vorbereitet.«
    Er machte einige Schritte im Dunkeln. Robert vernahm ein Rascheln und Reiben, dann flammte ein Schwefelholz auf, und Paul trat vor eine Wandnische, in der eine Fackel stak, und zündete sie an. Robert war neben ihn getreten, während Paul sich nun zum Türloch umwandte und die Diener mehr mit Gesten als mit Worten anwies, die Pferde zu ihnen hereinzuführen. Paul nahm die Fackel aus der Halterung, einem steinernen Ring über einer Mulde, die mit allerlei Zeichen verziert schien, und leuchtete langsam in die Runde, so daß Robert die Ausdehnung des Gewölbes erahnen konnte, das in der Tat kreisrund war, bei einem Durchmesser von ungefähr fünfzig Fuß. Im ungewissen Licht waren kaum Einzelheiten zu erkennen, aber er bemerkte doch, daß die Wände bis hinauf zum Kuppeldach mit Reliefs und Ritzzeichnungen bedeckt waren.
    Einmal schien es ihm, als wäre das Licht über jenes ingrimmige Gesicht mit der Rüsselnase gestrichen, aber dann schwenkte Paul die Fackel bere its weiter, und das Götzenbild sank zurück in die Nacht.
    Mabo und Henry hatten währenddessen die Pferde hereingeführt und den abgestorbenen Dornbusch wieder vor den Einlaß gezogen. Die Pferde schnaubten nervös in der für sie ungewohnten und wohl auch unheimlichen Umgebung. Mabo hatte einige Mühe, die Tiere zu beruhigen, indem er von einem zum anderen sprang und ihnen glucksende, summende Laute in die Ohren sang.
    »Wir müssen weiter hinein«, sagte Paul, »damit uns draußen niemand hört.« Und er hob die Fackel, ergriff mit der Linken Roberts Arm und zog ihn tiefer ins Gewölbe, auf eine verschattete Nische zu, die sich als Durchlaß in der Mauer erwies.
    Sie traten hindurch und gelangten in einen zweiten Saal, der kreisrund wie der vordere Raum war und wenigstens ebenso groß. Im Schein der Fackel liefen große Spinnen über den Boden und preßten sich eilig in Mauerritzen, und Eidechsen und Leguane huschten über die Wände und verschwanden in steinernen Spalten, gedankenschnell. Robert und Paul ließen sich auf einer

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