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Im Tempel des Regengottes

Im Tempel des Regengottes

Titel: Im Tempel des Regengottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gößling
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nicht tun, was sie von uns erwarten - Donner noch mal!« Seine Stimme grollte, nie zuvor war Robert bewußt geworden, wie sehr sie dem befehlsgewohnten Baß seines Vaters glich. »Dieser Weg führt offenbar immer weiter nach Westen«, fuhr Stephen fort, »und unser Ziel liegt ein Dutzend Tagesreisen südlich von hier. Warum also sollten wir weiter diesem Weg folgen? Außerdem solltest gerade du die Soldaten des Gouverneurs sehr viel mehr fürchten als diese nackten Wilden, die sich selbst vor einer Holzpuppe auf die Knie werfen würden.«
    Bei dem Wort »Holzpuppe« spürte Robert einen schmerzlichen Stich. Stephen konnte ja nicht ahnen, dachte er rasch, wie sehr ihn dieser Ausdruck treffen würde, oder etwa doch? Er versuchte seine Gedanken zu ordnen. »Die Soldaten«, wiederholt e er, »sagtest du nicht - oder war es Paul? -, daß sie nicht wagen würden, uns über Victoria Camp hinaus zu folgen?«
    Stephen sah ihn nur weiterhin an, die honiggelben Brauen zusammengezogen, düster wie ein Mann, der an einem unerquicklichen Geheimnis trägt. »Schlechte Nachrichten«, sagte er endlich, »aber dazu später. Im Moment ist es wichtiger, daß wir von diesem Weg hier verschwinden. Und deshalb werden wir jetzt den Seitenpfad nehmen, zumal auch Oldboy und seine Männer ihm offenbar gefolgt sind.« Er deutete mit dem Kinn nach links, wo der schmale Spalt im Dickicht zu sehen war. »Und du wirst uns begleiten, zum Donner, ob es dir paßt oder nicht!«
    Nach diesen Worten tastete er wie zufällig nach seinem Gürtel, in dem die silberfarbene Pistole steckte, und sein Blick bohrte sich in Roberts Augen, vorwurfsvoll wie stets. Auch Miriam sah Robert an, seitlich vor Stephen sitzend, die zerfledderte Karte auf den Schenkeln, die Füße an der linken Flanke des gewaltigen Rappen hinabbaumelnd, der sich auf dem Pfad ein wenig gedreht hatte, als dränge es ihn bereits ins Dickicht hinein. Noch immer trug Miriam ihre knöchellange braune Kutte, die so wenig zu ihrer goldblonden Mähne passen wollte.
    Und wie viel weniger erst, dachte er, zu dem Blick ihrer grünen Katzenaugen, die ihn unverwandt fixierten, wie ein Kaninchen, das sie gleich zur Strecke bringen würde, mit einem Tatzenhieb.
    Sein Mund war trocken geworden, unbehaglich spürte er, wie ihm der Schweiß über Brust und Rücken tropfte. Schlechte Nachrichten? Nein, er glaubte nicht daran, daß die Soldaten ihnen noch immer auf der Spur waren. Vorhin hatte Stephen lediglich angedeutet, daß er und Miriam unweit der Pyramide in einen Hinterhalt geraten und von den »nackten Affen« überwältigt worden seien. Was im Durcheinander dieses Überfalls mit Henry geschehen war, ob der kleine Diener umgekommen war oder fliehen konnte, war von Stephen und seiner Gefährtin nicht zu erfahren, ihr Lastpferd mit allen Gepäckstücken hatten sie jedenfalls ebenso wie Stephens Rappen gerettet. Und selbst wenn sie tatsächlich auf britische Soldaten gestoßen waren, dachte Robert nun, diese Häscher mußten sie im Moment viel weniger fürchten als die blutdurstigen Priester Cha'acs. Wie nur konnte er Stephen davon überzeugen, daß sie diesen Weg nicht verlassen durften?
    »Was sagst du dazu, Paul?« Er schaute zu ihrem Gefährten, doch im Grunde fragte er nur, um Zeit zu gewinnen, und tatsächlich blickte Paul nicht einmal auf. Er schien keine Schmerzen zu haben, Paul wirkte lediglich benommen und teilnahmslos. Als wäre er ständig im Halbschlaf, dachte Robert, dem auf einmal die haarsträubende Geschichte einfiel, die Grimaldi ihm Vor Jahren erzählt hatte: Eine junge Frau war aus dem hypnotischen Schlaf, in den ein Magnetiseur (nicht Grimaldi) sie versetzt hatte, rätselhafterweise niemals mehr gänzlich aufgewacht und lebte seither in ständiger Benommenheit, willenlos, nur durch Befehle in Bewegung gesetzt, wie ein Automat, hatte Grimaldi gesagt, seit vielen Jahren schon.
    Er spürte Miriams und Stephens Blick auf sich, und wieder fragte er sich verzweifelt, wie er Stephen umstimmen konnte. Seit sie aus Chul Ja' Mukal aufgebrochen waren, hatte er den Eindruck, daß sie ständig beobachtet wurden, daß überall im Dschungel Augen lauerten, die jeden ihrer Schritte überwachten. Wenn wir von diesem Weg abweichen, dachte er, werden die Maya, die zu Tausenden hier draußen hausen mögen, uns abermals ergreifen. Und wenn sie erst erkannt haben, daß ich nicht ihr wiedergekehrter Götterbote bin, nicht gekommen, um Schmach und Schuld aus alter Zeit zu tilgen, werden sie uns an ihre

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