Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual
ihm wirklich Angst.
Was stimmte denn bloß nicht mit denen? Mit allen dreien?
Ihm wurde übel, als er sich erneut klarmachte, dass ihn überhaupt nichts mit ihnen verband. Das war ganz offensichtlich.
Er hasste sie.
Seine Fußgelenke wurden an dem Balken festgezurrt, dessen rohes unbehandeltes Holz sich unter seinen Fersen und Waden hart und splittrig anfühlte. Surtr hockte sich auf seine Brust, das Gesicht zu ihm gewandt, und drückte seine Arme mit ihrem Hintern herunter. Loki drückte einen mächtigen Stiefel auf seine Kehle. Sie waren sehr flink und gingen methodisch vor. Sie waren richtige Killer. Eine Mörderbande. Mörder: Das Wort vervielfältigte sich in Lukes Kopf und ließ alle Lebenskraft aus seinem Körper entweichen.
Und dann lief etwas vor seinem geistigen Auge ab, zeigte ihm das, was sie ihm nehmen wollten, als würde ein Film in seinem Kopf abgespult: Er sah seine Mutter vor sich, wie sie ihn anlächelte, seinen kleinen Hund Monty, der seinen weißen Kopf zur Seite neigte, weil er gern mit ihm Gassi gehen wollte; er sah seine Schwester, seinen Vater, die hübsche Charlotte in ihren hohen
Stiefeln im Biergarten, so sexy, dass er gar nicht anders kann als sie anzumachen, seine CD-Sammlung, sein Billy-Bücherregal von Ikea mit den vielen Taschenbüchern, die in Zweierreihen stehen, und das leckere Ale in der Fitzroy Tavern … Er hielt den Film an und schluchzte laut auf. Er kniff die Augen zu. Und dann knurrte er trotzig.
Als sie mit seinen Füßen fertig waren, konnte er weder sie noch seine Unterschenkel bewegen.
Surtrs Gewicht lastete so sehr auf seiner Brust, dass er kaum noch atmen konnte. Er spürte das kalte Metall der Piercings in ihren nackten Genitalien auf seinem Bauch. »Eure Band ist Scheiße!«, schrie er laut, als ihm endgültig klar war, dass er sich nicht mehr wehren oder um sich schlagen konnte.
Surtr stemmte die Fersen ihrer breiten Füße in seine Achselhöhlen. Als Loki nun hinter Surtrs Rücken fasste und das Nylonseil an Lukes Handgelenken aufschnitt, war es kein Problem für Fenris und Loki, jeweils eine Hand zu nehmen und seine Arme festzuhalten, um das übel riechende Gewand über seinen Kopf zu schieben. Surtr erhob sich von seiner Brust und half den anderen beiden, ihm den Kittel anzuziehen. Sie hüllten ihn in den Stoff, der noch mit dem getrockneten Blut all jener befleckt war, die darin geopfert worden waren.
Loki und Fenris zogen seine Arme durch die engen Armlöcher des Gewands, breiteten sie auseinander und hoben seinen Körper auf das Kreuz. Die Arme lagen jetzt über dem Querbalken. Als sie die Fesseln um seine Handgelenke schlangen, drückte das Mädchen ihre Knie mit dem ganzen Gewicht ihres nicht gerade leichten Körpers gegen seine Schultern. Sofort spürte er einen brutalen Schmerz, der sich von dort aus so weit ausbreitete, dass er ihn kaum noch lokalisieren konnte. Er war völlig geschwächt, benommen, und ihm wurde übel. Er hatte keine andere Wahl, als alles über sich ergehen zu lassen
Am liebsten hätte er geweint, gebettelt und um Gnade gewinselt,
aber er konnte nur laut aufschreien vor Qual und Verbitterung.
Loki verknotete das Seil an einem Handgelenk, Fenris fixierte die andere Hand. Das dünne stramme Seil schnitt in sein Fleisch und hielt ihn unbarmherzig an diesem Kreuz fest, das noch im feuchten Gras lag, unter dem Abendhimmel, von dem gerade die letzten Reste des Tageslichts schwanden.
Als Surtr ihre dicken Beine von seinen Schultern nahm, war Luke klar, dass er keinen Widerstand mehr leisten konnte. Er würde ihnen keinen letzten Kampf liefern, an den sie sich ihr Leben lang erinnern würden.
Fenris grinste ihn an, Loki verzog das Gesicht, als sie ihre ganze Kraft aufwandten, um das Kreuz aufzurichten. Er schüttelte sich und bäumte sich auf, versuchte, das Kreuz aus dem Gleichgewicht zu bringen, als es langsam vom Boden gehoben und verkehrt herum aufgestellt wurde. Das stinkende Opfergewand fiel ihm übers Gesicht, und er spürte, wie seine Genitalien der kalten Nachtluft ausgesetzt wurden. Er fühlte sich wie ein Baby, als wäre er wieder ein hilfloses Kind. Nicht einmal in Würde durfte er sterben. Er hasste diese drei Jugendlichen mit einer derartigen Intensität, dass er nur noch hoffen konnte, einen Herzinfarkt zu bekommen. Das würde ihm die letzten panischen Schreckensschreie ersparen, und sie könnten sich nicht an den kläglichen Lauten ergötzen, die er ausstieß, wenn sein schreckliches Ende nahte.
Er blickte nach oben
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