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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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nur ganz langsam ihren eigenen Schockzustand überwanden und versuchten, wieder zur Ruhe zu kommen.
    Völlig zerzaust und mit wildem Blick standen sie da und konnten nicht anders, als Doms Augen zu folgen, um herauszufinden, was er dort zwischen den dunklen Bäumen gesehen hatte. Aber sie sahen nur schwarze Bäume, feuchttriefendes Grün und weißlich glänzende Birkenstämme, die sich aus dem mit Gestrüpp überwucherten Waldboden nach oben reckten.

    Hutch sprach als Erster: »Dom, alter Junge, Dom.«
    Offenbar hatte er Hutch gehört. Ohne den Kopf zu drehen, sagte er: »Es wird uns dort oben in die Bäume hängen.«
    Das konnte einfach nur irgendwelcher Unsinn sein, den Dom noch im Schlaf von sich gab, aber eine ganze Weile sagte keiner ein Wort. Bis Luke sich umdrehte und zum Haus sah. »Wir müssen Phil finden.«

15
    Sie fanden Phil in der Vorratskammer, völlig nackt stand er gebeugt in einer Ecke des dreckigen engen Raums. Sein schwerer Körper schien in dem schattigen Winkel beinahe zu leuchten, und er hatte sich ganz und gar vor ihnen zurückgezogen. Gebannt starrte er etwas an, das nicht da war, etwas, das hinter ihnen sein musste und gleichzeitig ein wenig erhöht. Sein Gesichtsausdruck war so starr und durchdringend, dass sie alle drei versucht waren, hinter sich und nach oben zu schauen, um herauszufinden, was ihren Freund so faszinierte. Phil hatte beide Arme erhoben. Aber an dieser Haltung war etwas Unentschlossenes. Vielleicht hatte er die Hände ausgestreckt, um etwas abzuwehren, und dabei waren die Muskeln erlahmt, als wäre ihm die Hoffnungslosigkeit seines Unterfangens mit einem Mal klar geworden.
    »Mensch, Phil, komm schon. Entspann dich.« Hutch hatte sich von seinem eigenen Trauma, das er im oberen Stockwerk erlitten hatte, so weit erholt, dass er in der Lage war, sich Phil zu nähern. Vorsichtig, langsam, aber selbstsicher.
    Phils Lippen bebten wie die eines Kindes, das furchtbare Angst empfindet. Seine Stimme war viel zu schwach, um verständliche Worte zu formulieren. Als Hutch seine Hand berührte, zuckte er zusammen und zog den Kopf zwischen die hochgezogenen Schultern.

    »Es ist alles gut, Kumpel.« Hutch nahm Phils Hand und führte ihn vorsichtig aus dem Anbau. Der Geruch nach Urin und verfaultem Holz begleitete ihn.
    Dom warf ihm seine blaue Regenjacke über, Hutch legte den Arm um seine Schultern und führte ihn dann durch die Tür des Schuppens nach draußen in das trübe Licht des beginnenden Tages.
    Der Wald rund um die verwilderte Wiese wirkte nach dem Unwetter beinahe verjüngt. Das hohe nasse Gras und die frische kalte Luft belebten Phil. Er kam wieder zu sich, war wieder in ihrer Welt, rang nach Atem mit zwei heftigen Schluchzern, die irgendwie unnatürlich und fremdartig klangen, jedenfalls anders als alle Töne, die Phil bislang in ihrer Gegenwart von sich gegeben hatte. Und dann stand er blinzelnd vor ihnen, und seine Nacktheit wurde von der Jacke nur notdürftig bedeckt. Aus verloren dreinblickenden Augen sah er sie fragend an, jeden Einzelnen von ihnen, aber er bekam keine Antwort, suchte vergeblich nach Verständnis. Die anderen drei Männer kamen ihm lediglich verlegen und rätselhaft vor. Und sie hielten seinem intensiven Blick nicht lange stand.
    Hutch drehte sich zur Hütte um. »Los, kommt. Wir packen zusammen.«
    Luke ging voran. »Genau das sollten wir tun.«
    »Wartet«, sagt Dom. »Was ist denn eigentlich los?«
    Luke deutete mit dem Kopf auf das Haus. »Ich hab euch ja gesagt, dass das keine gute Idee war. Wer weiß, was wir da aufgescheucht haben.« Er wollte seine Gedanken schon weiter ausführen, besann sich dann aber eines Besseren. Phil und Dom starrten ihn an, in ihren Gesichtern stand deutlich geschrieben, dass sie aus seiner Andeutung nicht schlau wurden.
    Hutch blieb auf der Türschwelle stehen, schaute über die Schulter zurück, sein Gesicht schmutz- und rußverschmiert. Die Augen wirkten viel zu groß in diesem zerfurchten Gesicht. »Wir
haben noch genug Zeit, darüber zu reden, wenn wir uns erstmal davongemacht haben.«

16
    »Sollen wir hier lang?« Dom beugte sich vor und schob mit den Armen das Unterholz aus Farnen und wuchernden Trieben beiseite, auf der Suche nach einem Weg durch diesen trostlosen stillen Wald.
    Die Überreste des Pfades, der sie hierhergebracht hatte, führten von der Lichtung aus nach Norden, also genau in die falsche Richtung. Die Spannung der anderen drei, die in ihrer Verzweiflung so schnell wie möglich von diesem Haus

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