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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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Schuldgefühlen blass und angesichts seiner Schande tiefrot im Gesicht hätten werden lassen, wenn er es gehört hätte.
    Luke schloss die Augen. Versuchte, sich zu beruhigen und wieder klar zu denken. Langsam verging sein Wutanfall, und er stand zitternd da.
    Es war so dunkel hier inmitten dieses wuchernden Krauts. Nur wenig Licht fand seinen Weg auf den Waldboden, aber der Regen schaffte es mühelos bis hier unten. Der ganze Wald war bis in die letzte Ecke mit Wasser vollgesogen. Luke fühlte sich benommen und nahm sich einen Energieriegel aus der Jackentasche. Sein leerer Magen schmerzte. Hatten sie überhaupt noch genug Essen, um eine richtige Mahlzeit zuzubereiten?
    Er stellte sich vor, was passieren würde, wenn er sich einfach nicht mehr von der Stelle rührte. Würde man seine Leiche jemals finden, unter diesen Bäumen, Büschen und dem ganzen Gestrüpp? Oder würden seine Knochen von den überall herumschwirrenden
Insekten und irgendwelchen Nagetieren abgefressen werden? Ein allzu deutliches Bild der Überreste seiner schmutzigen Trekking-Ausrüstung, des verblichenen Rucksacks, seiner braunen Knochen und des Schädels, der ins Dunkel des Waldes grinste, erschrak ihn und brachte ihn dazu, sich hastig wieder aufzurichten. Sein Hintern war durchnässt vom Sitzen auf dem feuchten Boden und tat weh. Die schwarze Erde schien jede Wärme aus seinem Körper ziehen zu wollen.
    Wieder auf den Beinen trieb er sich an in der verzweifelten Hoffnung, dass er ganz plötzlich wundersamerweise am Ende des Waldes ankommen könnte und die Bäume ihn mit einem Mal freigeben würden. Aber als er schon sehr lange außer Rufweite der anderen geraten war, hatte er das ungute Gefühl, vielleicht vom Weg abgekommen zu sein. Womöglich arbeitete er sich hier in eine völlig falsche Richtung durch das Unterholz, das nun deutlich lichter zu werden schien. Ab und zu hielt er an, um sich zu versichern, dass er noch immer dem kaum sichtbaren Pfad folgte, den sich irgendwann einmal Menschen hier hindurchgebahnt hatten. Denn sollte das nicht der Fall sein, würde er die anderen nie mehr wiederfinden. Es gab keine Orientierungspunkte, alles sah gleich aus, und so ging es immer weiter.
    Sein Magen brannte, die Kehle und der ausgetrocknete Mund schmerzten vor Durst. Sein Wasser hatte er schon vor über einer Stunde verbraucht. Wenn sie nicht ständig den Mund aufhalten wollten, um das von den Blättern triefende Regenwasser aufzufangen, mussten sie irgendwo fließendes Wasser finden, bevor der Tag sich dem Ende näherte. Er bezweifelte sehr, dass die anderen noch etwas in ihren Feldflaschen hatten.
    Nach dreißig Minuten einsamen Voraneilens prallte er gegen einen Granitsockel. Eine aufrecht stehende, von Efeu überwucherte Steinplatte.

20
    Mehr und mehr wurde Hutch sich der Stille bewusst, doch er entschied sich, diese Beobachtung den anderen, die auf dem immer schmaler werdenden Pfad neben und hinter ihm herhumpelten, lieber nicht mitzuteilen. Ihm kam es vor, als würde der Wald den Atem anhalten und abwarten, was als Nächstes passiert.
    Seit sie die verfallenen Gebäude hinter sich gelassen hatten, war auch das gelegentliche Zwitschern der Vögel erstorben. Kein Lüftchen regte sich. Abgesehen von dem Geräusch ihrer schlurfenden Füße, dem kaum hörbaren Tropfen des Regens und dem Klatschen der Blätter gegen ihre Kleidung war der Wald um sie herum in völliges Schweigen verfallen.
    Diese eigenartige Ruhe verlangte geradezu nach einer Reaktion, nach einer Antwort. Er ertappte sich dabei, wie er unruhig in die Büsche auf beiden Seiten des immer schlechter erkennbaren Wegs spähte. Hatten sie nicht eben schon wieder die Richtung gewechselt? Er war sich da nicht sicher. An manchen Stellen schien der Pfad sich in den trügerischen, höhlenartig anmutenden Schatten völlig zu verlieren. Manchmal sah es aus, als würden sich zwischen den Hindernissen auf beiden Seiten einladende Durchgänge öffnen. Den schmalen Pfad wiederum konnte er nur noch mit größter Mühe ausmachen, so dicht wucherten jetzt die Büsche und blassgrünen Farne.

    Es war wesentlich dunkler geworden. Das Blätterdach war hier besonders dicht. Schon wieder. Er machte sich Sorgen um Luke, womöglich hatte er sich verirrt. Hielt an und wischte sich den Schweiß vom Gesicht. War mit einem Mal furchtbar wütend auf sich selbst, dass er Luke so einfach hatte losgehen lassen. »Stopp.«
    »Häh?«, fragte Dom schwer atmend.
    Phil blieb stehen und atmete laut pfeifend ein und

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