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Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual

Titel: Im tiefen Wald - Nevill, A: Im tiefen Wald - The Ritual Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adam Nevill
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»Was hab ich dir getan? Sag’s mir. Du versuchst die ganze Zeit, mich zu erniedrigen. Allem, was ich sage, widersprichst du. Ich darf keine eigene Meinung haben. Alles, was ich sage, wird sarkastisch kommentiert, entweder von dir oder von Phil. Oder ihr schaut euch mitleidig grinsend an. Warum? Ich habe die ganze Zeit versucht, damit klarzukommen, aber wie sehr ich mich auch bemühe, mir kommt es immer so vor, als würde ich einen Riesenfehler machen und ständig nur eure Verachtung provozieren. Genau das ist es nämlich. Verachtung. Aber ich verstehe einfach nicht, womit ich das verdient habe. Das ist alles, was ich wissen will. Also erklär mir das endlich.«
    Niemand sagte etwas.
    »Vieles hat sich verändert, Luke«, sagte Hutch. »Wir alle haben uns weiterentwickelt.«
    »Was soll das heißen? Was soll das wirklich heißen?«
    »Dass wir inzwischen andere Menschen geworden sind. Man driftet auseinander. Das ist der Gang der Zeit. Und keine große Sache.«
    »Es ist sehr wohl eine große Sache, wenn man jemanden auf eine Camping-Tour einlädt und ihn dann ausschließt und er sich total beschissen fühlt. Und sogar als alles total schiefgelaufen ist, habt ihr das weiterbetrieben.«

    »Jetzt übertreibst du aber«, sagte Phil.
    »Falls es so rübergekommen sein sollte, dann entschuldige ich mich dafür«, sagte Hutch. »Können wir das Thema jetzt beenden? «
    »Nicht du, Hutch. Du hast doch gar nichts gemacht. Ich spreche nicht von dir, sondern von den beiden da.«
    Dom schüttelte den Kopf. »Hast du jemals darüber nachgedacht, dass du uns mit manchem, was du so von dir gibst, total verärgert hast?«
    Luke hob beide Hände. »Womit denn zum Beispiel?«
    Dom lehnte sich ein Stück weit aus dem Zelt heraus. »Was glaubst du eigentlich, wer du bist? Ständig musst du uns auf die Nase binden, was für ein freier Geist du bist. Hast keine Familie, keine Frau. Du glaubst nicht an Monogamie. Du lässt dir von niemandem etwas gefallen, auch nicht am Arbeitsplatz. Du willst keine Verantwortung übernehmen, weil dich das einschränkt. Aber du bist sechsunddreißig Jahre alt, Mann. Du arbeitest in einem Laden. Du bist ein Aushilfsverkäufer. Dabei bist du schon lange keine achtzehn mehr. Aber du hast dich nie verändert, und deshalb ist es echt schwer, dich noch ernst zu nehmen. Weil du immer noch aufgeregt bist, wenn Lynyrd Skynyrd eine neue Platte rausbringen.«
    Phil und Hutch lachten vor sich hin. Luke sah alle drei eingehend an, warf dann den Kopf zurück und gab ein verächtliches Lachen von sich. »Das ist es also.«
    »Glaubst du, dass deine Lebensphilosophie jemanden beeindrucken kann, der Verantwortung trägt? In Stockholm hast du erklärt, dass dir andere Dinge wichtiger wären. Welche denn? Was hast du denn in deinem Leben erreicht? Ernsthaft? Was kannst du vor dir selbst als Erfolg verbuchen?«
    Luke beugte sich vor, hob die Stimme, wurde sich dessen bewusst und senkte sie wieder. »Das ist doch kein Wettbewerb. Ich will doch gar nicht das haben, was du erreicht hast. Das ganz bestimmt
nicht. Und nur weil ich euch nicht nacheifere, versuchst du, mich als eine Art Versager darzustellen. Es mag ja sein, dass ich mir das Leben allzu schwergemacht habe mit diesem Plattenladen, der dann total baden gegangen ist. Mit meinem Umzug nach London. Aber ich bin trotzdem kein Loser, der keine Ziele mehr hat. Ich arbeite in einem Laden, um über die Runden zu kommen. Das ist nicht gerade das, was man eine Karriereoption nennt. Es ist einfach eine Arbeit, die mir ermöglicht, die Miete zu zahlen. Ich mach das einfach. Und das ist alles. Das hat nichts mit meiner Persönlichkeit zu tun.«
    Phil kicherte leise, und Luke merkte, dass er Dom dabei anblickte. Will der etwa auch eins in die Fresse haben? Er nahm Phil ins Visier. »Aber das macht euch zu schaffen. Ihr könnt es nicht ertragen, dass ich mich nicht ruiniert habe mit meinen Schulden und einer nervigen Schlampe auf den Leim gegangen bin. Und deshalb zieht ihr die ganze Zeit eine Werbeshow für eure eigenen Lebensentwürfe ab und tut so, als müsste ich euch beneiden. Aber wer wollte denn mit euch tauschen? Schaut euch doch an, wie alt ihr geworden seid. Ihr beide. Fett und grau seht ihr aus, dabei seid ihr noch nicht mal vierzig. Kommt das davon, wenn man Familie hat? Wenn man verheiratet ist? Soll ich dem etwa nacheifern? Euch darum beneiden? Und wenn ich es nicht tue, muss ich dann ausgegrenzt werden? Warum? Ich sag euch warum: Weil ich euch an all das erinnere,

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