Im Tod vereint - Divided in Death (18)
gelitten, es aber überlebt und kamen damit zurecht.
Sie ging aus der Küche auf die kleine, dahinter liegende Terrasse und atmete tief ein.
Wie war sie bisher damit zurechtgekommen? Seit sie Polizistin war, schuftete sie häufig bis zur völligen Erschöpfung, sie brauchte das, was ihr die Arbeit und die Ergebnisse der Arbeit gaben. Sie brauchte es, für andere Opfer einzutreten und einen Weg zu finden, damit ihnen im Rahmen des gesetzlich Möglichen Gerechtigkeit
widerfuhr. Selbst wenn sie die Gesetze hin und wieder dafür hasste, weil sich durch sie keine Gerechtigkeit in ihrem Sinn erzielen ließ.
Aber man konnte etwas respektieren, selbst wenn man es hasste.
Und waren die Albträume nicht eine Art mit ihrem Leid zurechtzukommen, ein unbewusster Mechanismus zur Verarbeitung der Angst, der Schmerzen, der erlittenen Erniedrigung? Wahrscheinlich könnte Mira ihr eine ganze Wagenladung voller Fachbegriffe und psychologischer Erklärungen zu diesem Thema liefern. Im Grunde aber förderten die Albträume nur die Dinge zutage, die sie in der Erinnerung ertrug. Und vielleicht ein paar, von denen sie nicht sicher wusste, ob sie sie ertrug. Doch sie kam auf jeden Fall damit zurecht.
Sie kam, weiß Gott, viel besser damit klar, wenn Roarke sie aus den Klauen der Erinnerung befreite, sie in die Arme nahm und sie daran erinnerte, dass sie dem damaligen Elend ein für alle Mal entronnen war.
Sie konnte die erlittene Brutalität nicht dadurch überwinden, dass sie gewaltsam Rache nahm. Wie könnte sie Polizistin sein, wenn sie nicht an die Gesetze glaubte?
Doch er glaubte nicht daran.
Sie raufte sich die Haare und starrte auf die wilde Farbenpracht des spätsommerlichen Gartens: auf die leuchtend grünen Bäume, die Büsche und die Blumen, auf den Glanz dieser von Roarke erschaffenen Welt. Als sie ihm zum ersten Mal begegnet war, als sie sich in ihn verliebt hatte und mit ihm vor den Traualtar getreten war, hatte sie gewusst, dass er nie dieselben grundlegenden Überzeugungen von Recht und Ordnung hätte wie sie selbst.
Er war auf einer fundamentalen Ebene das genaue Gegenteil von ihr.
Sie waren zwei verlorene Seelen, hatte er einmal gesagt. Das waren sie tatsächlich. Aber trotz der unzähligen Dinge, die sie gemeinsam hatten, würden sie in diesem einen Punkt nie eine Einigung erzielen.
Vielleicht war gerade deswegen ihre Beziehung derart intensiv. Vielleicht hatte gerade deshalb ihre erschreckende, fürchterliche Liebe eine derartige Kraft.
Sie konnte sein Herz erreichen, es lag offen vor ihr wie ein aufgeschlagenes Buch. Sie konnte auch seine Trauer über die Vergangenheit erreichen und ihn in einer Weise trösten, die ihr selbst niemals bewusst gewesen war. Aber seinen Zorn konnte und wollte sie niemals vollkommen verstehen. Diesen harten Knoten in seinem Inneren, den er meistens so geschickt hinter Eleganz und Stil verbarg.
Vielleicht sollte es so sein. Vielleicht wäre er, wenn sie diesen Knoten lösen könnte, nicht mehr derselbe Mann.
Aber Gott, oh Gott, was würde sie tun, wenn er ihretwegen einen Mord beginge? Wie sollte sie das überleben?
Wie sollten sie das überstehen?
Könnte sie auch weiter Mörder jagen, wenn sie wüsste, dass sie mit einem Mörder lebte? Da sie Angst vor einer Antwort hatte, verdrängte sie die Frage, ging ins Haus zurück und füllte ihre Kaffeetasse.
Dann kehrte sie in ihr Büro zurück, stellte sich vor die Pinnwand, nahm ihre Arbeit wieder auf und rief, als ein leises Klopfen ihre Gedanken unterbrach, geistesabwesend und etwas verärgert: »Was?«
»Lieutenant. Tut mir leid, wenn ich Sie störe.«
»Oh. Caro.« Es brachte sie aus dem Gleichgewicht, Roarkes persönliche Assistentin in ihrem eleganten schwarzen Anzug in der Tür stehen zu sehen. »Kein Problem. Ich wusste gar nicht, dass Sie hier sind.«
»Ich bin mit Reva gekommen. Ich fahre nachher zum Arbeiten ins Büro, aber ich brauchte von Roarke noch ein paar Details über ein Projekt. Tja, aber das ist im Grunde vollkommen egal.« In einer seltenen Geste der Hilflosigkeit hob sie die Arme an und ließ sie wieder sinken. »Ich wollte kurz mit Ihnen sprechen, bevor ich wieder gehe. Vielleicht hätten Sie ja einen Moment Zeit für mich.«
»Sicher. Kein Problem. Möchten Sie einen Kaffee oder so?«
»Nein. Nichts. Danke. Ich … ich würde gern die Tür zumachen.«
»Tun Sie das.« Sie sah, dass Caros Blick auf die Pinnwand mit den Aufnahmen der Tatorte und Opfer fiel, setzte sich deshalb hinter ihren
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