Im Todesnebel
ausdruckslos und eisig wie immer. Pitt wandte sich um und sah zu Giordino, der seinen Blick mit einem schiefen Grinsen erwiderte. Ihre Körper spannten sich, während sie auf das Ende warteten. Aber Delphis gelbe Augen richteten sich nicht auf seine Opfer, sondern zur Tür.
»Nein, Vater!« rief Summer mit flehender Stimme. »Nicht so!«
Sie stand in der Tür, ein grünes Kleid hing ihr lose von den Schultern bis zur Mitte der Oberschenkel herab. Ihre weiche gebräunte Haut schien Wärme und Selbstsicherheit auszustrahlen. Summer trat in den Raum, ihre Augen sahen Delphi selbstbewußt und herausfordernd an.
»Misch dich hier nicht ein«, flüsterte Delphi. »Diese Sache geht dich nichts an.«
»Du darfst sie hier aber nicht einfach niederschießen«, sprach Summer beharrlich weiter. »Du darfst es einfach nicht!« Ihre großen grauen Augen sahen ihn plötzlich sanft und bittend an.
»Nicht innerhalb dieser Mauern!«
»Man wird ihr Blut wieder abwaschen können.«
»Aber es wäre nicht gut, Vater. Du mußtest töten, um unser Reich zu schützen. Aber das war draußen auf See. Du darfst den Tod nicht in unser Haus holen.«
Delphi zögerte einen Moment und ließ den Revolver dann langsam sinken. »Du hast recht, meine Tochter.« Er lächelte wieder. »Der Tod durch eine Kugel wäre zu schnell, zu gnädig und zu unsauber. Wir werden sie an der Wasseroberfläche aussetzen. Wir geben ihnen damit sogar noch die Chance zu überleben.«
»Wirklich, eine Riesenchance«, sagte Pitt in verächtlichem Ton. »Hunderte Kilometer entfernt von der nächsten Küste und jede Menge Haie in der Nähe, die sich diese leichte Beute nicht entgehen lassen werden. Sie sind zu gnädig.«
»Genug von diesem schrecklichen Thema.« Delphi sah Pitt mit sarkastischer Miene an. »Ich möchte immer noch von Ihnen wissen, wie und warum Sie hierhergekommen sind, und ich habe keine Zeit mehr für Ihre schlechten Witze.«
Pitt blickte gelassen auf seine Uhr. »Sie haben noch exakt einunddreißig Minuten, um genau zu sein.«
»Einunddreißig Minuten?«
»Ja, dann wird Ihr schönes Reich zusammenstürzen.«
»Fangen Sie schon wieder an zu scherzen, lieber Freund?«
Delphi ging mit langsamen Schritten hinüber zu dem Glasportal und beobachtete eine Zeitlang die Muräne, die es sich unter einem Felsvorsprung bequem gemacht hatte und auf ein Opfer wartete. Dann drehte er sich plötzlich um. »Wie viele Männer waren außer Ihnen beiden noch an Bord der Maschine?«
Pitt antwortete mit einer Gegenfrage. »Was ist aus Lavella, Roblemann und Moran geworden?«
»Sie wollen Ihr Spiel also weitertreiben?«
»Es ist mir bitter ernst«, sagte Pitt. »Wenn Sie mir ein paar Fragen beantworten, dann werde ich Ihnen alles erzählen, was Sie nur wissen wollen. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort.«
Delphi sah nachdenklich auf den Revolver in seiner Hand und legte ihn schließlich auf die Schreibtischplatte. »Ich werde Ihne n glauben. Und als erstes sollen Sie erfahren, daß ich wirklich Moran heiße, Major.«
»Frederick Moran müßte heute weit über achtzig Jahre alt sein, wenn er noch leben würde!«
»Ich bin sein Sohn«, sagte Delphi langsam. »Ich war ein junger Mann, als er sich mit Dr. Lavella und Dr. Roblemann auf die Suche nach dem untergegangenen Kanoli machte. Um das alles zu verstehen, müssen Sie wissen, daß mein Vater ein überzeugter Pazifist war. Nachdem der Zweite Weltkrieg in dem Inferno der Atombombenabwürfe über Japan geendet hatte, wußte er, daß es nur noch eine Frage der Zeit sein konnte, bis sich die Menschheit in einem atomaren Holocaust selbst vernichten würde. Wenn die Nationen sich für den Krieg bewaffnen, dann werden sie diese Waffen eines Tages auch einsetzen, sagte er einmal. Er begann nach Gebieten zu suchen, in denen man sicher vor radioaktiver Strahlung sein konnte und die nicht in den Zielsektoren der Interkontinentalraketen lagen.
Während dieser Forschungen fand er heraus, daß ihm eine Unterwasserbasis den besten Schutz bieten würde.
Als vor etlichen Jahrhunderten die Insel Kanoli im Meer versank, war daran kein Vulkanausbruch schuld, sondern eine mächtige Veränderung im Meeresboden ließ die Insel binnen kurzem versinken. Daraus war zu schließen, daß die Hö hlen und Tunnel, die den Eingeborenen zu den verschiedensten Riten gedient hatten, noch intakt waren. Lavella und Roblemann sympathisierten mit den Ideen meines Vaters und schlossen sich deshalb seiner Suche nach versunkenen Inseln an. Nachdem sie
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