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Im Todesnebel

Im Todesnebel

Titel: Im Todesnebel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clive Cussler
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den jeder einzelne der nachwachsenden Admiralsgarde der Navy auf ihrer persönlichen Liebesskala erzielt hatte.
    Als Pitt sich vom Boden erhob und auf sie zukam, sah sie den harten Ausdruck seiner Augen, der sie merklich erschauern ließ.
    Bei aller Wut, die ihn erfüllte, stellte Pitt dennoch verwirrt fest, daß er trotz allem Zuneigung für das Mädchen empfand. Er sah auf ihr rotes Haar, von dem ihr eine Strähne in die Stirn und über ein Auge gefallen war, er sah ihre schlanken Hände, die bewegungslos in ihrem einladenden Schoß lagen.
    »Es tut mir leid, daß es so kommen muß«, sagte er.
    »Wirklich.« Er fühlte einen Anflug von Hilflosigkeit. »Aber Sie haben leider alles verdorben. Denn Sie haben ganz bestimmt nichts mit dem Geheimdienst der Navy zu tun, meine Liebste.
    Wahrscheinlich sind Sie nicht einmal Amerikanerin. Kein Bewohner dieses Landes benutzt seit 1930 noch den Ausdruck
Gangster.
Außerdem sind Sie schmählich durch meinen kleinen Agententest gefallen. Auch nicht der dümmste Anfänger aus dem Berufszweig hätte mir meinen vorgetäuschten Anruf bei der Polizei abgenommen, aber Sie haben es getan. Und überhaupt würde die Navy niemals eine Agentin unter die Bösewichter schicken, ohne daß ein Haufen bis an die Zähne bewaffneter Kerle zumindest auf Rufweite steht. Sie jedoch haben nicht einmal eine Tasche bei sich, und Ihr Kleid sitzt viel zu eng, als daß sich darunter ein Sender verstecken ließe, über den Sie die Wachhunde hätten rufen können.« Pitts Schockbehandlung zeigte rasch Wirkung. Ihr Gesicht verlor alle Farbe, und nun sah sie wirklich so aus, als ob ihr schlecht wäre.
    Pitt sprach weiter. »Und bevor Sie jetzt auf die Idee kommen, daß ich vielleicht genauso unschuldig und von jungfräulicher Dummheit bin wie Sie, muß ich Ihnen leider sagen, daß Sie sich damit einem schrecklichen Irrtum hingeben würden. Während ich Sie vom Strand hierher getragen habe, bin ich klug genug gewesen, Sie von den Haarspitzen bis zu den Zehennägeln zu untersuchen. Das einzige, was Sie unter Ihrem Kleid am Körper haben, ist ein kleiner Halter für die Spritze, den Sie auf der Innenseite Ihres linken Oberschenkels tragen.«
    Summers Augen schienen plötzlich allen Glanz zu verlieren.
    Pitt konnte sich nicht erinnern, daß ihn je zuvor eine Frau so starr vor Überraschung angesehen hatte. Dann wandte sie sich ab und blickte zur Badezimmertür, als ob es nur noch darum ginge, wo sie sich übergeben sollte, gleich hier auf den Berberteppich oder in die Toilette im Badezimmer. Sie entschied sich für die Toilette. Summer erhob sich unsicher, taumelte ins Badezimmer und schlug die Tür hinter sich zu.
    Kurz darauf hörte Pitt die Toilettenspülung, dann wurde der Wasserhahn über dem Waschbecken aufgedreht. Er ging hinüber zur Balkontür und sah auf das in weiter Entfernung glitzernde Lichtermeer Honolulus und auf die Brecher, die gegen den Strand schlugen.
    Vielleicht genoß er die Aussicht einen Moment zu lange. Das Geräusch des fließenden Wassers im Badezimmer holte ihn schließlich in die Wirklichkeit zurück. Das Geräusch war zu gleichmäßig, und es war inzwischen auch zu viel Zeit vergangen, als daß es noch mit rechten Dingen zugehen konnte.
    Mit drei Sätzen war Pitt an der Tür – sie war von innen verschlossen. Für ein theatralisches »Sind Sie noch da?« war keine Zeit mehr. Einen Augenblick balancierte Pitt auf dem linken Fuß, dann trat er mit dem rechten gegen das Schloß. Das Badezimmer war leer.
    Summer war verschwunden. Die einzige Spur, die sie hinterlassen hatte, war ein Seil aus zusammengeknoteten Handtüchern, das an der Halterung des Duschvorhanges befestigt war und über das Fensterbrett hinaus ins Freie hing.
    Angstvoll warf Pitt einen Blick aus dem Badezimmerfenster und mußte feststellen, daß das letzte Handtuch des Seiles nur einen Meter über einem Ruhesessel auf dem Balkon unter seinem eigenen endete. Sie hatte sich bei ihrer Flucht also keiner besonderen Gefahr ausgesetzt. Er war froh darüber.
    Unschlüssig stand er da und versuchte, sich an ihr Gesicht zu erinnern – ein Gesicht, das es verstanden hatte, sein Mitleid zu erregen, das aber auch zärtlich und zugleich ausgelassen schauen konnte.
    Dann verfluchte Pitt sich dafür, daß er sie hatte entwischen lassen.

4
    Es war früher Morgen. Fahle Dunstschleier, die noch an einen Nachtregen erinnerten, hingen in der Luft. Daß sie von dem hohen Feuchtigkeitsgehalt nicht stickig wurde, war den Passatwinden zu

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