Im Todesnebel
die Speichen des Handrades, um sie als Hebel einsetzen zu können. Ein Kopfnicken gab March das Zeichen anzufangen.
Gemeinsam stemmten sie sich gegen das Rad, und kaum merklich gab es nach. Zwar hatte es sich wenig mehr als einen Zentimeter bewegt, doch der stärkste Widerstand war damit gebrochen, und nach jedem weiteren Versuch ließ das Handrad sich leichter drehen.
Schließlich blockierte es am Anschlag. March öffnete die Luke und starrte hinunter in die Schleusenkammer. Sie war mit Wasser gefüllt, was man nur als schlechtes Zeichen werten konnte. Pitt sah seinen Plan bereits scheitern, aber ihm blieb in diesem Spiel noch eine Karte und nur noch eine Minute, sie auszuspielen.
Pitt wischte seine kleine Tafel sauber und beschrieb sie erneut: KÖNNEN SIE DAMIT UMGEHEN?
March nickte und erzitterte bei dem Gedanken, was hinter Pitts Frage stand; dann nahm er seine eigene Schreibtafel zur Hand und antwortete: SINNLOS OHNE INTAKTEN GENERATOR.
Pitt schrieb einfach: WIR VERSUCHEN ES!
Daß jeder Widerstand sinnlos war, hatte der junge Lieutenant längst begriffen. Er zögerte noch einen Moment, um seinen Mut zu sammeln, und einen Augenblick später war er in der düsteren Schleusenkammer verschwunden. Pitt wartete draußen, um March nicht das wenige Licht zur Orientierung zu nehmen, das noch bis in diese Tiefe vordrang. Als der Lieutenant seine Hände fest auf den Drehverschlüssen der Luftventile hatte, tauchte auch Pitt in die Kammer und schloß hinter sich die Luke.
Der Notausstieg war eine schlauchförmige Kammer, die direkt in den Druckkörper des U-Bootes hineingebaut war.
Sechs Männer hatten gleichzeitig in ihr Platz, und sie war so konstruiert, daß die Besatzung des leckgeschlagenen Schiffes sie ohne Schwierigkeiten betreten, die innere Luke schließen und dann fluten konnte. Wenn der Druck in der Kammer in etwa dem Wasserdruck außen entsprach, konnten die Männer mühelos die äußere Luke öffnen und zur Wasseroberfläche hinauftauchen. Pitt hoffte nun, mit March den umgekehrten Weg gehen zu können. Er wollte das Wasser aus der Kammer ablaufen lassen und, mit etwas Glück, ein trockenes U-Boot betreten.
March konnte das Ganze nur als Wahnsinnsunternehmen bezeichnen. Wie sie jetzt in der vollkommen finsteren Schleusenkammer hockten: der reinste Wahnsinn. Viel einfacher wäre es gewesen, wenn sie sofort die innere Luke geöffnet hätten, statt hier in dem nachtschwarzen Gehäuse herumzuturnen, nur um einen völlig unsinnigen Druckausgleichsversuch zu unternehmen, wo das U-Boot ohnehin voll Wasser sein mußte. Alles, was sie vorfinden würden, wären trübfinstere Räume, in denen aufgedunsene Leichen herumschwimmen mußten. Und wenn sie sich nicht beeilten, würde der nasse Tod auch sie beide bald holen. Jeden Augenblick rechnete er damit, sein Tauchgerät auf Reserve umstellen zu müssen. Der reinste Wahnsinn, dachte er wieder verzweifelt.
Obwohl es unmöglich war, hatte er das Gefühl zu schwitzen.
Dann drehte er die Ventilverschlüsse auf.
Leise zischte die Luft in der Schleusenkammer, und der Wasserspiegel begann zu sinken. Ich muß träumen, dachte March. Das konnte gar nicht wahr sein. Doch sein Körper spürte schon den Druckabfall, und obwohl er nichts sehen konnte, wußte er, daß seine Hände bereits über dem Wasserspiegel waren. Als nächstes fühlte er kleine Wellen gegen sein Gesicht schlagen.
Wäre nicht das Mundstück seines Atemgerätes zwischen seinen Zähnen gewesen, ihm hätte vor sprachlosem Schrecken der Mund offen gestanden. Er kämpfte seine Angst nieder und schüttelte den Kopf, als wollte er seine Gedanken klären. Dann tastete er nach dem wasserdichten Lichtschalter, der in der Nähe der Ventildüsen sein mußte. Mehrmals schlug er sich die Fingerknöchel an hervorstehenden Eisenteilen auf, bis er den Kipphebel schließlich gefunden hatte. Er legte ihn um, und im nächsten Moment durchflutete helles Licht die Schleusenkammer.
March war wie betäubt von dem, was er sah. Bequem gegen die Schleusenwand gelehnt und anscheinend ohne besonderes Interesse für seine Umgebung, stand Pitt, seine Tauchmaske hatte er bereits hinaufgeschoben über sein schwarzes, naßglänzendes Haar, das Mundstück seines Atemgerätes hing ihm an den beiden Luftschläuchen wie ein Kettenanhänger vor der Brust. Er erwiderte Marchs Blick aus grünen Augen, die in dem gleißenden Licht zu blinzeln schienen, während in den Mundwinkeln des bronzefarbenen Gesichtes ein leichtes Lächeln
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