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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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nestelte an den Knöpfen seiner Strickjacke herum. »Ich habe auch Jeannie manchmal was von meiner Stütze abgegeben. Sie meinte, dass ihr das beim Bezahlen ihrer Miete half.«
    Wenn er an sie dachte, schwand das Lächeln aus seinem Gesicht. Einem Teil von mir war klar, dass ich nichts zu befürchten hatte, aber trotzdem legte ich die Finger auf die Türklinke.
    »Was ist passiert, als Sie Jeannie zum letzten Mal gesehen haben, Morris?«, fragte ich. »Sie können mir ruhig die Wahrheit sagen, es macht mir nichts aus.«
    »Nichts.« Abermals fing er zu fummeln an. Dieses Mal an seinem ausgefransten Hemdkragen, als wäre er mit einem Mal zu eng. »Ich wollte bei ihr übernachten, aber sie hat mich nicht gelassen. Sie meinte, dass noch jemand anders kam.«
    »Und was haben Sie getan, als Sie gegangen sind?«
    »Ich habe ihr einen Abschiedskuss gegeben, so.« Er sprang auf mich zu, aber ich drehte gerade noch rechtzeitig den Kopf, weshalb sein Mund nur eine kalte Speichelspur auf meiner Wange hinterließ.
    Ich riss die Haustür auf und trat eilig auf den Weg hinaus.
    »Und das war alles?«
    Er gab mir keine Antwort, aber seine Körpersprache machte bereits deutlich, was geschehen war. Er rang die Hände noch ein wenig stärker als zuvor, als rieb er an einem unsichtbaren Fleck.
    Mein Herz fing an zu rasen, und ich machte eilig einen Schritt zurück.
    »Leben Sie wohl, Morris.«
    Als ich mich noch einmal zu ihm umdrehte, sah er mir mit tränenfeuchten Augen hinterher. Er war noch immer in den 70ern gefangen, und seine erbärmliche Gestalt hob sich undeutlich vor einem Hintergrund aus orangefarben geblümter Flurtapete und einem verblichenen blauen Teppich ab.
    Nach einem halben Dutzend Schritten war ich den Geruch nach Potpourri, sexueller Frustration und Verzweiflung endlich los. Das dumpfe Pochen hinter meinem linken Auge aber blieb.
    Das Einzige, was der Besuch bewirkt hatte, war, mir erneut zu zeigen, dass ich hoffnungslos naiv an die ganze Geschichte herangegangen war. Irgendein Verteidiger, der offenbar noch an das Gute in den Menschen glaubte, hatte jede Menge Zeit und Steuergelder aufgewandt, um Cley aus dem Gefängnis zu befreien, obwohl er die ihm zur Last gelegte Tat tatsächlich zweifelsfrei begangen hatte. Das war eindeutig. Als ihn Jeannie Anderson zurückgewiesen hatte, war er ausgeflippt. Die einzige Frau, die sich jemals von ihm hatte berühren lassen, hatte ihn nicht bei sich übernachten lassen, weil sie einen anderen Mann erwartete. Und ich wusste aus Erfahrung, dass er stärker war, als sein Erscheinungsbild vermuten ließ. Deshalb war es ihm bestimmt nicht schwergefallen, sie zu überwältigen und ihr ein Kissen aufs Gesicht zu drücken, bis sie tot gewesen war. Was hatte er wohl anschließend empfunden? Wahrscheinlich Erleichterung. Denn nachdem er sie nicht besitzen konnte, bekäme sie zumindest auch kein anderer mehr.
    Am Ende der Keeton’s Road setzte ich mich auf ein niedriges Mäuerchen und holte erst einmal tief Luft. Wenn mich meine Instinkte bei Cley derart getrogen hatten, hatte ich mich ja vielleicht auch in Bezug auf vieles andere hoffnungslos geirrt. Vielleicht hatte Burns ja recht und er war Teil einer Gruppe, der es darum ging, die Benson’schen Verbrechen zu kopieren. Offensichtlich war er nicht fähig, einen komplizierten Angriff auszuführen, doch er konnte aus diversen anderen Gründen durchaus nützlich sein. Vielleicht verlieh ihm seine Freundschaft mit Marie und Ray ja einen besonderen Status innerhalb der Gang. Doch auch wenn es durchaus logisch wäre, war ich von der Idee, dass eine Gruppe hinter diesen Morden steckte, immer noch nicht überzeugt. Aus irgendeinem Grund ging ich auch weiter davon aus, dass der Mörder ein besessener Einzeltäter war.
    Ich sog ein letztes Mal die frische Luft in meine Lungen ein und kehrte dann zu Meads zurück. Ich hatte noch immer keine Ahnung, weshalb Cley vom Anblick meines Bruders auf dem Bild derart verschreckt gewesen war, und ich konnte nur beten, dass Burns keinen Wind von meinem Besuch bei diesem Mann bekam. Denn dann sperrte er mich sicher wochenlang bei Wasser und Schleimsuppe in einer Zelle ein.
    Meads wirkte enttäuscht, als ich ihn darum bat, mich wieder ins Hotel zu fahren. Vielleicht hatte er sich auf die nächste Ausfahrt gefreut, aber er sah auch nicht unzufrieden aus, als er wenig später vor der Glotze saß, und bis ich mit einer Tasse Tee an ihm vorüberging, hatte er den Wrestling-Kanal entdeckt und verfolgte mit weit

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