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Im Totengarten (German Edition)

Im Totengarten (German Edition)

Titel: Im Totengarten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Rhodes
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verteilt. Wahrscheinlich hatte seine Mutter mit dem Zeug zu ihren Lebzeiten den unschönen Geruch von Feuchtigkeit und Schimmel überdeckt. Und auch jetzt noch sah das Haus so aus, als lebte eine alte Dame dort, die nur gerade das Zimmer verlassen hatte, um ihre Stricksachen zu holen. Gehäkelte Überzüge schützten die Lehnen der Sessel und der Couch, und der Esstisch war mit spitzengesäumten Zierdeckchen geschmückt.
    Aus irgendeinem Grund beruhigte mich all der altmodische Nippes.
    Cley rutschte nervös auf der Kante seines Stuhls herum.
    »Das von dem anderen Abend tut mir leid.« Vor lauter Anspannung klang seine Stimme rau, und statt in mein Gesicht starrte er auf meine Brust.
    »Schon gut, Morris. Sie haben es schließlich nicht böse gemeint.«
    Er ließ die Schultern sinken, als hätte ihm jemand einen Strafaufschub gewährt.
    »Aber ich würde Ihnen gerne ein paar Fragen stellen. Ist das für Sie okay?«
    Er nickte stumm, und als er seinen Blick in Richtung meiner Beine wandern ließ, war ich dankbar, dass ich eine Hose trug.
    »Sie kannten Ray und Marie Benson, stimmt’s?«
    Wieder nickte er. »Sie waren unsere Nachbarn.«
    »Ach?«
    »Sie haben schräg gegenüber von uns gewohnt, und Marie hat Mum immer zum Bingo mitgenommen.« Er bedachte mich mit einem argwöhnischen Seitenblick, und ich blinzelte verwirrt.
    Man rechnete ganz einfach nicht damit, dass eine Massenmörderin mit ihrer Nachbarin zum Bingoabend ging. »Und nachdem die Bensons das Heim eröffnet hatten, hatten Sie auch weiterhin Kontakt?«
    »Wir sind sonntags mit dem Bus zum Tee zu ihnen gefahren. Sie haben mir erlaubt, ihnen ein bisschen im Haus zu helfen, und Ray hat manchmal den Garten für Mum gemacht.« Cley lächelte versonnen, als er von den Bensons sprach. Vielleicht war die Mordserie der beiden ja ganz einfach zu komplex, als dass er verstanden hätte, was geschehen war.
    »Ich habe hier ein Bild.« Ich legte ihm das Foto hin, und er glitt mit einem Finger über die Reihe der Gesichter und sah sie sich eingehend nacheinander an.
    »Können Sie mir die Namen dieser Leute sagen?«
    »Vielleicht.« Zum allerersten Mal sah er mir ins Gesicht und versuchte offenbar herauszufinden, wie viel mir diese Informationen wert waren.
    »Ich kann nicht lange bleiben, Morris. Also, werden Sie mir helfen oder nicht?«
    »Wenn Sie mir etwas dafür geben.«
    »Was?«
    »Einen Kuss.« Er strich sich über die schuppige Haut über der Oberlippe und sah mich auffordernd an. »Jeannie hat mich auch manchmal geküsst.«
    Ich starrte ihn entgeistert an. Sein zotteliges graues Haar stand wirr in alle Richtungen, und seine Augen sahen wie verschieden große nasse Kieselsteine aus. »Wenn Sie es mir nicht sagen, werde ich ganz einfach wieder gehen. Draußen wartet nämlich mein Freund.« Ich stand auf und knöpfte meinen Mantel zu.
    »Schon gut, schon gut.« Zum Zeichen, dass er sich geschlagen gab, hob er beide Hände hoch, und ich schob ihm das Foto noch mal hin. »Sagen Sie mir, an wen Sie sich erinnern können.«
    Wieder konzentrierte er sich auf das Bild und lächelte, als er auf Marie Benson wies, als ob sie seine Lieblingstante wäre oder so etwas Ähnliches. »Ray, Bill, Suzanne, Laura.« Als sein Finger über das Gesicht von meinem Bruder glitt, sah ich, dass er zusammenfuhr.
    »Haben Sie den auch gekannt, Morris?«
    »Nein.« Er schüttelte vehement den Kopf.
    »Sie haben also keine Ahnung, wer das ist?«
    Cley biss sich auf die Lippe. »Der Kerl war mir unheimlich. Hat ständig rumgeschnüffelt und die Leute beobachtet.«
    Plötzlich drehte er das Foto um und drückte die Gesichter so lange und so fest in das gemaserte Holz des Tisches, als wären es Kätzchen in einem Sack, den er unter Wasser hielt, um sie zu ertränken.

27
    »Sie werden doch noch mal wiederkommen, oder?« Morris Cley beugte sich über mich und rieb sich nervös seine Hände.
    Ich hätte nicht sagen können, ob er lächelte oder eine Grimasse zog, als er mit gebleckten ungepflegten Zähnen auf mich hinuntersah. Vielleicht wusste er bereits, dass er mich nie wiedersehen würde. Dass ich wie schon vor mir zahllose Sozialarbeiter und Bewährungshelfer nur zu einem kurzen offiziellen Besuch gekommen war, ehe ich auf Nimmerwiedersehen verschwand. Ängstlich darauf bedacht, eine Wiederholung unseres letzten Treffens zu vermeiden, ging ich vor ihm in den Flur, wobei meine linke Hand fest um die Sprühdose in meiner Tasche lag.
    »Ich könnte Ihnen das Geld für den Bus geben.« Er

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