Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
schwarzer Kater und ein Kind ohne Kopf namens Essig-Tom geholfen hätten. Das mit dem Kind ohne Kopf hat sie ausgesagt, während man ihr die Fingernägel ausriss. Oder auf der Folterbank. Jemand, der bei nüchternem Verstand ist, würde sich so etwas nie ausdenken. Ich glaube, dass irgendjemand bei uns auch den ›Hexenhammer‹ gelesen und dann dieses Märchen in der Metro in Umlauf gebracht hat. Oder er hat es unter Folter zusammenfantasiert.«
Niemand erwiderte etwas. Kolja hüstelte und sagte auch nichts mehr. Stille kehrte ein.
Sie erreichten die Kontrollposten des Aeroport , einer gut versorgten, satten Station, die im Chor mit ihren Schweinen zufrieden grunzte. Mit den Stationen Aeroport und Dinamo hatte Nestor ein persönliches Abkommen geschlossen. Er verzichtete darauf, sie auszuplündern, dafür ließen sie bei Bedarf seine Kämpfer durch.
So war es auch diesmal. Sie flüsterten dem Befehlshaber der Wache das Zauberwort ins Ohr, der nickte wissend, und die Wachposten traten anstandslos zur Seite.
Ein einziges Mal hatte es die Führung des Aeroport gewagt, gegen den Pakt zu verstoßen. Kurz darauf waren anstelle von Händlerdraisinen Nestors Tatschankas an der Station aufgekreuzt. Damit hatte sich der Fall rasch erledigt, und solch bedauerliche Zwischenfälle waren nie wieder vorgekommen.
Kurze Zeit später marschierte der Trupp wieder im Tunnel. Sie passierten den vierten Seitengang auf der rechten Seite. Das bedeutete, dass sie die Hälfte des Weges zurückgelegt hatten. Tolik blickte sich um und kontrollierte, ob niemand zurückblieb. Die Kämpfer marschierten in Kolonne mit einem halben Meter Abstand voneinander. Keiner tanzte aus der Reihe.
Eine weitere halbe Stunde verging unter leisem Geflüster. Tolik zählte die Schritte und beobachtete den Verlauf der Kabelstränge. In Kürze mussten sie die fünfte Abzweigung erreichen … Gleich … Hinter der nächsten Tunnelbiegung.
Nikita, der sich an der Station ein wenig gefangen zu haben schien, war inzwischen völlig verzagt wegen der Blasen an seinen Füßen und jammerte kläglich vor sich hin. Tolik wollte ihn gerade zur Ordnung rufen, doch stattdessen fuhr er plötzlich zusammen . Vor ihnen war deutlich ein Rascheln und Knirschen zu hören. Das war es …
Sergej, der an der Spitze ging, blieb wie angewurzelt stehen und blickte sich Hilfe suchend nach Tolik um. Nein, Sergej, das war keine Halluzination.
Tolik ließ den hinkenden Überläufer stehen, begab sich nach vorn und übernahm das Sturmgewehr mit der Taschenlampe . A n der gerippten linken Wand entlang tastete er sich durch die Biegung voran.
Die Geräusche verstummten. Über den Tunnel legte sich Grabesstille. Toliks Herz schlug so heftig, dass es eigentlich auch die anderen hätten hören müssen. Er wartete ein paar Sekunden, dann richtete er die Lampe auf das schwarze Rechteck schräg gegenüber – die fünfte Abzweigung, vermutlich ein Betriebsraum.
Im Lichtkreis erschienen Betonblöcke, aus denen rostige Stahlstäbe ragten, und eine von Rissen durchzogene Wand. Tolik gab bewusst keine Entwarnung – Mitjai ließ grüßen! Er leuchtete weiter über das Trümmerfeld aus Beton. Die Sekunden verrannen zäh wie Lava. Nichts zu sehen . A ber weiß der Henker …
Vorsichtig überquerte Tolik das Gleis und näherte sich dem Eingang. Im Moment war der Raum tatsächlich leer. Doch dass hier jemand gewesen war, stand außer Frage. Und dieser Jemand war offensichtlich kein Mensch gewesen. Erstens würde ein Mensch, der seine fünf Sinne beisammenhat, niemals so blindwütig und planlos den Beton zertrümmern. Wozu hätte das gut sein sollen? Außerdem war der Boden des Raums ausgebeult, als hätte jemand versucht, von unten durch die Zementschicht zu stoßen. Keine Nummer für einen Menschen.
Oder hatte da jemand mit Sprengstoff hantiert?
Am ehesten sah es danach aus, dass hier eine riesige Kreatur versucht hatte, sich nach oben durchzuarbeiten. Tolik schwenkte den Lichtkegel ein Stück weiter … Von wegen versucht! Du meine Güte! Im Boden gähnte ein schwarzes Loch. Die Bestie war hier herausgekrochen, hatte sich umgeschaut, sofern sie denn sehen konnte, und wieder das Weite gesucht – Gott sei Dank . Vielleicht sollten sie das Loch verbarrikadieren? Aber für solche Experimente hatten sie keine Zeit. Tolik gab Sergej das Sturmgewehr zurück.
Als der gefährliche Streckenabschnitt bereits weit hinter ihnen lag, fiel Tolik auf einmal etwas ein . A m liebsten wäre er zurückgegangen,
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