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Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Antonow
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enge Jacke mit bunten Flicken, eine zu kurz geratene Hose und Stiefel, in die er zweimal hineingepasst hätte. Sein zu Strähnen verklebtes Haar sah aus wie das Stachelkleid eines Igels.
    Geblendet vom Licht der Taschenlampe kniff der Junge ein wenig die Augen zusammen. Doch als er Tolik und seine Leute sah, lächelte er und streckte seine Patschhand aus.
    »Nur eine Kleinigkeit für was zu essen, liebe Leut.«
    Tolik ging einen Schritt auf den Jungen zu, um ihm über den Kopf zu streicheln. Doch plötzlich stieß die Frau knurrende Laute aus, schoss hinter dem Regal hervor und sprang mit einem Satz dazwischen. Bereits während sie sprang, hatte sie mit der Hand ausgeholt, und wenn Tolik nicht reflexartig zurückgewichen wäre, hätten ihm ihre scharfen Fingernägel das Gesicht zerkratzt.
    Die Frau schüttelte sich die grauen Locken aus dem Gesicht und sah auf. Tolik trat einen weiteren Schritt zurück.
    Die Mutter des Jungen war etwa dreißig Jahre alt. Ihr noch junges Gesicht passte überhaupt nicht zu ihrem aschgrauen Haar . A ls hätte sie ein traumatisches Erlebnis auf einen Schlag ergrauen lassen.
    Ihre Gesichtszüge waren ebenmäßig, abgesehen von der hässlichen Narbe, die sich über die linke Wange bis zur Oberlippe zog . A m unheimlichsten waren ihre Augen. Sie saßen tief in den Höhlen, als spähten sie aus Schießscharten heraus. Wie das Haar passten sie nicht zu dieser jungen Frau. Es waren die Augen einer Greisin. In ihnen lag einerseits eine mysteriöse Kraft und andererseits eine Mischung aus geheimem Wissen und offensichtlichem Wahnsinn. Länger als ein paar Sekunden konnte man diesem Röntgenblick nicht standhalten. Tolik senkte den Blick auf den Boden.
    »Oh-oh-oh! Ihr werdet alle krepieren!«, begann die Frau in singendem Tonfall. »Das sage ich euch, die Lieblingsschülerin der Bestie. Ihr werdet ganz anders sterben, als ihr denkt! Nicht in warmen Zelten, vollgefressen mit Wurst, oh nein! Die Bestie wird euch holen, mit ihren Fangarmen umschlingen und euch in die Heimstatt der Finsternis zerren. Sie wird euch zwingen, über die schwarzen Stufen des Schmerzes in den Tempel der Leiden hinabzusteigen! Sie wird eure Glieder mit höllischer Kälte lähmen und euch vertilgen. Mit den Füßen wird sie beginnen und sich langsam, ganz langsam bis zum Kopf vorarbeiten. Das prophezeie ich euch, die Auserwählte, die von der Bestie mit dem Finger berührt, mit der Kralle gezeichnet und am Leben gelassen wurde. Wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet langsam sterben und es millionenfach bereuen, dass ihr dem hungrigen Jungen die stinkende Ratte weggenommen habt!«
    Nachdem die Frau ihre Litanei beendet hatte, griff sie unter ihren schäbigen Mantel und war f Tolik einen angekohlten Rattenkadaver zu Füßen. Daraufhin stürzte sie seitlich zu Boden, rollte mit den Augen und wand sich in Krämpfen. Die Ärmste bog sich wie besessen, bevor sie endlich erschlaffte . A us ihrem Mund quoll Schaum.
    Der Junge kniete neben ihr nieder, nahm ihre kraftlos am Boden liegende Hand und presste sie gegen seine Wange.
    »Das geht vorbei«, murmelte er ins Leere. »Es dauert nie besonders lang. Bald wird es Mama wieder besser gehen . Viel besser. Sie wird aufhören, mir Angst einzujagen und nach der Bestie zu rufen.«
    »Ihr kommt am besten mit uns«, sagte Tolik heiser. »Wir bringen euch bis zur Station.«
    »Ich habe diese Ratte nicht gestohlen!«, beteuerte der Junge. »Ehrenwort: Sie ist von selbst vom Spieß auf den Boden gefallen! Ich habe sie nur aufgehoben, weil ich so Hunger hatte.«
    »Niemand behauptet, dass du sie gestohlen hast.« Tolik gab Artur ein Zeichen. Der schnürte seinen Rucksack auf und nahm einen Ring Schweinswurst heraus. »Iss was, bis deine Mutter wieder zu sich kommt. Und dann gehen wir gemeinsam zur Station.«
    Der Junge packte die Wurst, biss gierig hinein und entgegnete mit vollem Mund: »Auf keinen Fall! Wenn wir zur Majakowskaja zurückkehren, werden sie uns totschlagen. Wir bleiben hier. Mama wird später entscheiden, wo wir hingehen . Verschwindet lieber, bevor sie wieder zu sich kommt und die Bestie ruft!«
    Tolik schüttelte den Kopf. Was hätte er für die bedauernswerte Epileptikerin und ihren Sohn tun können? Die halb verwilderte Majakowskaja stürmen und denjenigen die Hölle heißmachen, die die arme Irre misshandelt hatten? Was würde das ändern? Sobald sein Trupp die Station verließ, würden sie die Frau einfach aufhängen oder wie eine Hexe verbrennen.
    Tolik beobachtete, wie der

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