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Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Titel: Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sergej Antonow
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einer gewissen Zeit war irgendein e Veränderung in ihm vorgegangen. Zuerst hatte es Tolik an seinen leuchtenden Augen bemerkt. Dann lieh der Freund sich auf einmal Toliks Bücher aus. Zuletzt kaufte er sich selbst welche von seinem Lohn.
    Tolik seinerseits hatte es dagegen nie für nötig befunden, sich von der Ingenieurskunst seines Freundes etwas abzuschauen. Zu Unrecht. Denn Arschinows Wissen über Sprengstoffe und Sergejs technisches Talent waren im Zweifelsfall mehr wert als Toliks felsenfeste Überzeugung, dass der Kropotkin’sche Weg der einzig richtige sei. In der Metro kam Tolik mit seinem Anarchismus-Papst nicht weit. Die Zeit der Theoretiker war vorbei. Heutzutage hatten Praktiker Konjunktur!
    Tolik rückte seinen heruntergerutschten Rucksackriemen zurecht und warf einen Seitenblick auf Nikita. Der kurze Aufenthalt an der Belorusskaja hatte ihm sichtlich gut getan. Der Überläufer ging weniger gebeugt und hinkte nicht mehr. Warum auch? Sicher hatte er an der Station Blickkontakt mit einem Verbindungsmann aufgenommen und sich davon überzeugt, dass ihn seine Genossen nicht im Stich lassen würden. Jetzt konnte er seine Mission beruhigt fortsetzen . A m heimatlichen Prospekt Marxa würde Nikita die Saboteure dann ans Messer liefern und dafür einen Rotbannerorden ans Revers geheftet bekommen.
    Tolik schüttelte den Kopf. Mit solchen Gedanken durfte er seinen Auftrag nicht angehen. Wenn er allen Ernstes diesen bösen Verdacht hegte, hätte er als Kommandeur die Pflicht gehabt, unverzüglich die Rückkehr zur Guljaipole anzuordnen. Oder …
    War es vielleicht eine Option, kurz haltzumachen und Nikita nach allen Regeln der Kunst auf den Zahn zu fühlen? Der Überläufer machte nicht den Eindruck eines unbeugsamen Kämpfers für hehre Ideale. Wenn man ihn anständig unter Druck setzte, würde er bestimmt singen.
    Nein.
    Nestor vertraute Nikita. Tolik konnte dem Kommandanten nicht einfach die Menschenkenntnis absprechen. Dazu hatte er kein Recht. Und nicht den nötigen Rang.
    Tolik seufzte . Verdammt, wie gern hätte er dem dickbackigen Verräter eins zwischen die Hörner gegeben!
    Ein Stück weit vor ihnen hörte man plötzlich Schritte im Schotter knirschen. Im Licht der Taschenlampe erschienen zwei Gestalten, eine große und eine kleine. Der Trupp blieb stehen.
    Toliks Hand schnellte reflexartig zum Gürtel und umfasste den gerippten Pistolengriff.
    Das Gehirn hatte das Bild blitzschnell fixiert: Tolik war sich sicher, dass er eine Frau gesehen hatte, die ein Kind an der Hand hielt. Mamotschka? Sollte dieses Gespenst nicht im Tunnel zwischen dem Ochotny rjad und der Twerskaja sein Unwesen treiben? Der Streckenwärter war doch derjenige, der sich herumtreiben konnte, wo er Lust hatte . Von Mamotschka war dergleichen nicht bekannt …
    Einem Gespenst in Begleitung von sechs kräftigen Kämpfern zu begegnen war natürlich angenehmer, als ihm allein in die Arme zu laufen. Noch wesentlich besser allerdings war es, weder sich selbst noch den anderen einzugestehen, dass man auch nur eine Sekunde an diese idiotischen Gespenstermärchen glaubte.
    Der Lichtkegel der Taschenlampe schwenkte über die Tunnelwand und versank im undurchdringlichen Schwarz einer rechteckigen Türnische. Die völlig verrostete Stahltür des Betriebsraums hing nur an einer Angel und pendelte leicht hin und her. Derjenige, der sich drinnen versteckte, hatte sie offenbar berührt.
    Auf ein Zeichen von Tolik bildeten die Männer einen Halbkreis und näherten sich langsam der Tür. Bestimmt war niemand drin.
    Gespenster lauern einsamen Wanderern auf. Wie Saboteure mögen sie keine Zeugen. Sie lösen sich einfach in der Dunkelheit auf.
    Glaube ich das jetzt eigentlich wirklich?, fragte sich Tolik.
    Wider Erwarten waren Mamotschka und ihr Söhnchen keineswegs verschwunden . A ls die Taschenlampe den nur wenige Quadratmeter großen Raum ausleuchtete, wurden die Schuldigen an der Aufregung für alle sichtbar. Hinter einem umgeworfenen Regal in der entfernten Ecke kauerte eine Frau mit einem etwa fünfjährigen Jungen. Ihr ursprünglich brauner Mantel war stellenweise ausgeblichen und sah rosa scheckig aus . Vom ehemals fuchsroten Fellkragen waren nur noch ein paar spärliche Büschel übrig.
    Die Frau zitterte vor Angst . A u f Toliks Befehl, in den Tunnel herauszukommen, reagierte sie nicht.
    Der Junge war mutiger. Er riss sich von der Hand seiner Mutter los und trat in die Mitte des Raums – wie ein scheues, aber neugieriges Tier. Er trug eine

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