Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
heftige Schmerzen zu bereiten.
Doch jetzt musste er durchhalten, bis sie in sicherer Entfernung waren.
Kurz darauf huschte ein grauer Schatten über das Gleis, und man hörte das Dröhnen eines Stahlrohrs, das gegen eine Schiene schlug: Charon. Im Gegensatz zu seinen Gesinnungsgenossen schlief er nicht. Er drückte sich an die Wand und schnüffelte geräuschvoll, um zu eruieren, wer sich hier im Tunnel herumtrieb.
Mobat stand dem Blinden am nächsten und versuchte sofort, ihn zu hypnotisieren. Doch weder Gesten noch Sprüche zeigten Wirkung auf ihn.
»Aha! Ich rieche euch«, säuselte der Alte. »Ihr wollt wohl verduften, was? Da habt ihr die Rechnung aber ohne mich gemacht. Charon schläft nicht.«
Der Blinde öffnete den Mund, um Alarm zu schlagen, doch er hatte seinerseits die Rechnung ohne Tolik gemacht. Der war mit einem Satz bei ihm, versetzte ihm einen Schlag auf den Solarplexus und hielt ihm den Mund zu.
Charon war stärker, als er auf den ersten Blick aussah. Er wand sich wie ein Fisch, um den Mund freizubekommen, und schlug Tolik mit seinem Stock gegen das Bein. Nur mit vereinten Kräften gelang es den Ausbrechern, Charon zu Boden zu drücken. Sie stopften ihm seinen Pilzbeutel als Knebel in den Mund, fesselten ihn an Armen und Beinen und legten ihn am Rand des Tunnels ab.
Nur fünfzig Meter weiter wartete bereits die nächste Überraschung. Im Licht der Taschenlampe tauchte eine Motordraisine auf. Darauf schlief unter einer Decke ein Mann.
Diesmal nahm Mobat die Sache allein in die Hand . A uf Zehenspitzen schlich er zu dem Schlafenden, legte ihm die Hand auf die Stirn und flüsterte ihm etwas zu. Daraufhin schlug der Mann die Decke zurück, setzte sich auf, schaute den Mutanten verwundert an und händigte ihm sein Sturmgewehr aus.
Tolik erkannte den Fremdling. Es war einer der beiden hanseatischen Kaufleute, die mit Katar über Waffenlieferungen verhandelt hatten. Das Weichei war sich offenbar zu fein dazu, an einer Station zu übernachten, wo es wie in einer Abortgrube stank.
Die Bürger der Gemeinschaft der Ringstationen hatten großen Einfluss in der Metro. Tolik kam in den Sinn, dass ihnen der Kaufmann noch nützlich sein könnte – als lebender Schutzschild und als Türöffner an so mancher Station. Wenn nötig, konnte man den Händler auch gewinnbringend verkaufen. Moralische Bedenken sah Tolik dabei nicht: Typen, die bereit waren, ihre eigene Großmutter zu verkaufen, konnte es nicht schaden, zur Abwechslung einmal selbst als Ware behandelt zu werden.
Nach der »Behandlung« durch Mobat glich der Händler allerdings eher einem Zombie, mit dem nicht viel anzufangen war. Man konnte aber davon ausgehen, dass die Hypnose irgendwann nachließ und der Mann seine Zurechnungsfähigkeit wiedererlangte. Dann bliebe ihm angesichts seiner misslichen Lage gar nichts anderes übrig, als mit ihnen zu kooperieren.
Krabbe hätte sich gern die Draisine unter den Nagel gerissen, doch Mobat winkte ab.
»Dort, wo wir jetzt hingehen, gibt es kein Gleis«, sagte er mit Bestimmtheit – anscheinend kannte er den Weg.
»Dann soll auch niemand anders eine Freude an dir haben«, sagte der Bandit zur Draisine, öffnete die Motorabdeckung und schraubte irgendein wichtiges Teil heraus.
Mobat war tatsächlich ein guter Führer. Nach kurzer Zeit erreichte das Quartett die Stelle, an der Tolik und Krabbe zum ersten Mal auf Charon getroffen waren, und bog in den betonierten Gleistunnel ein. Dort steuerte der Mutant zielsicher auf einen Betriebsraum zu und öffnete die Tür.
Tolik und Krabbe waren hier schon einmal gewesen. Sie hatten den Raum untersucht, aber nichts Besonderes feststellen können.
Mobat legte seine baumdicken Arme um einen Stahlschrank an der gegenüberliegenden Wand, lupfte ihn spielerisch an und schob ihn beiseite. Dahinter befand sich eine schmale Öffnung in der Wand. Kaum vorstellbar, wie der Riese da durchpassen sollte.
»Dieser Gang führt zu uns, zur Molodjoschnaja «, verkündete Mobat. »Wir haben fast fünfzehn Jahre gebraucht, um ihn zu graben.«
Krabbe verzog verdutzt das Gesicht. »Moment mal, Großer. Wir müssen zur Samoskworezkaja-Linie. Was sollen wir denn an der Filjowskaja?«
»Ich weiß nicht, wie man zur Samoskworezkaja-Linie kommt . A ber ich bringe euch zu Schabdar. Der kann euch mit Sicherheit den Weg zeigen.«
Der Bandit wollte sich damit nicht abspeisen lassen. Trotzig verschränkte er die Arme vor der Brust und wollte gerade etwas entgegnen, als plötzlich
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