Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
Hypostasen. Ich bin das Alpha und Omega der Metro. Ihr Anfang und ihr Ende. Sklave, Wurm und Gott! Springen Sie in die Grube, junger Mann, denn das Höllenfeuer ist der zuverlässigste Genmodifikator.«
Plötzlich näherten sich von hinten Schritte. Noch bevor Tolik sich umdrehen konnte, schlug Korbut ein greller Lichtstrahl ins Gesicht. Das doppelgesichtige Monster schrie vor Schmerz, schlug taumelnd die Hände vors Gesicht und stürzte in den Abgrund.
Die Abraumhalde geriet in Bewegung und gewaltige Erdmassen rutschten in die Grube. Kurz darauf war das Tor zur Hölle spurlos verschunden. Mit ihm verschwanden auch die Lagerfeuer, Käfige und Pentagramme. Die Timirjasewskaja war wieder so, wie sie Tolik aus seiner Kindheit kannte.
Über den mit schwarzem Granit und hellem Marmor ausgelegten Boden kam der Streckenwärter au f Tolik zu.
»Warum siehst du alles immer nur grau in grau?«, fragte er mit machtvoller Stimme, die wie ein Donner durch das Stationsgewölbe hallte. »Dass man in dunklen Tunneln keine leuchtenden Farben sieht, bedeutet noch lange nicht, dass es generell keine gibt. Du musst lernen, eine Situation aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.«
»Was meinst du damit?«
»Der doppelgesichtige Janus galt zu allen Zeiten unter anderem als Gott der Ein- und Ausgänge. Wenn du den Eingang zur Timirjasewskaja gefunden hast, wirst du auch den Ausgang finden.«
Der Streckenwärter schaltete seine Lampe aus. Die Bahnsteighalle versank in Finsternis . A us dem Dunkel tauchte abermals das kreidebleiche Gesicht ohne Wimpern und Augenbrauen auf.
»Er wacht auf«, sagte die Kreatur. »Es ist mir gelungen, die Droge zu neutralisieren. Jetzt kommt er wieder zu Bewusstsein.«
Tolik sah eine blasse Hand auf sich zukommen, deren Finger mit durchsichtigen Schwimmhäuten verbunden waren. Um eine Berührung zu vermeiden, machte er eine ruckartige Kopfbewegung. Dabei prallte er gegen ein Stahlrohr.
»Tatsächlich, er ist aufgewacht!«, rief Krabbe erfreut. »Willkommen zurück, Tom.«
Tolik richtete sich auf und befühlte die frische Beule an seinem Kopf. Er saß am Boden eines Käfigs. In seiner Gesellschaft befanden sich Krabbe und ein äußerst sonderbar aussehender Mann. Der Fremde war ein bärenstarker Koloss und viel zu groß für das enge Gefängnis. Er hatte einen überproportional großen Kopf, eine fliehende Stirn und extrem vorgewölbte Augenbogenwulste. Darunter funkelten kleine, grüne Pupillen zwischen geschwollenen Lidern. Ihm fehlte jegliche Art von Gesichts- und Kopfbehaarung. Dafür waren seine Lippen violett.
»Das ist Mobat – von der Filjowskaja-Linie«, verkündete Krabbe.
Die Filjowskaja-Linie, die großteils dicht unter der Oberfläche oder oberirdisch verlief, war Gerüchten zufolge von Mutanten besiedelt. Während die Stationen im Zentrum durch eine dicke Erdschicht vor der Radioaktivität geschützt waren, herrschte an der Filjowskaja-Linie ein gefährliches Strahlungsniveau.
Die erste Generation jener, die dort überlebt hatten, war zum Großteil an der Strahlenkrankheit oder an Krebs gestorben, und ihre Kinder waren mit Missbildungen zur Welt gekommen . A ngeblich gab es noch wesentlich drastischere Fälle als Mobat.
Der neue Bekannte war gut zwei Meter groß, hatte extrem breite Schultern und schaufelförmige Pranken . A m meisten erstaunten Tolik die Schwimmhäute zwischen seinen Fingern.
Krabbe rückte seinen schmutzigen Kopfverband zurecht. Der Verlust eines Ohrs schien seiner guten Laune keinen Abbruch zu tun.
»Stimmt es, dass ihr an der Filjowskaja Menschen esst?«, erkundigte sich der Bandit, der offenbar ein vorher begonnenes Gespräch wieder aufnahm.
»Ja, natürlich, aber nicht jeden«, erwiderte Mobat mit einem abfälligen Grinsen. »Dich zum Beispiel würde niemand anrühren.«
»Und wieso, wenn ich fragen darf?«
»Da wird einem ja schon beim Anblick schlecht!«
»Wenn das so ist, komme ich mal auf Urlaub zu euch«, erwiderte Krabbe kichernd und plapperte munter weiter: »Mobat ist ein wahrer Wunderheiler. Er hat dich ins Leben zurückgeholt. Er kann nämlich hypnotisieren. Deshalb traut sich auch keiner der hiesigen Gorillas allein zu seinem Käfig, und man lässt ihn nicht mal zur Arbeit raus.«
»Stimmt«, nickte der Mutant. »Wenn ich aus dieser verdammten Zelle rauskäme, würden hier alle brav nach meiner Pfeife tanzen . A ber das Schloss …«
»Ein ganz gewöhnliches Schloss«, sagte Krabbe. »Einfach, aber solide gebaut. Deshalb kann man es nur
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