Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
verhindern versucht, dass die Menschen sich länger an dem Spalt aufhalten und das unsichtbare giftige Gas einatmen.
Tolik spürte die Pfote an seiner Schulter nicht mehr . A uch die Übelkeit war vergangen. Nur sein Kopf fühlte sich wie eine hohle Bleikugel an.
»Ich verstehe überhaupt nichts mehr!«
Krabbes Stimme mit ihrem notorisch wehleidigen Tonfall klang so vertraut, dass Tolik vor Freude am liebsten geweint hätte. Der Bandit kannte sich auch nicht mehr aus – und geteiltes Leid ist bekanntlich halbes Leid.
Tolik schüttelte den Kopf, um die klebrigen Reste des Albtraums loszuwerden, setzte sich auf und hielt nach seiner Taschenlampe Ausschau. Ihre Sachen lagen säuberlich aufgereiht an der Wand. Krabbe hatte schon eine Inventur durchgeführt, und seiner zufriedenen Miene nach zu schließen waren kein e Verluste zu beklagen. Michail schlenderte nachdenklich am Gleis auf und ab.
Tolik kroch zu seiner Taschenlampe und leuchtete in beide Richtungen des Tunnels . V on dem Zug war weit und breit nichts mehr zu sehen, was nicht bedeutete, dass sie die Gefahrenzone aus eigener Kraft verlassen hatten. Die Wollknäuel hatten sie hierhergeschleppt.
Im Nachhinein ärgerte sich Tolik darüber, dass er Schabdar nicht hartnäckiger über die Mutanten ausgefragt hatte, die an den verstrahlten Stationen hausten. Diese oberirdischen Bahnhofsgebäude waren sicher stark zerstört und stellten ein offenes Einfallstor für alle möglichen Gefahren von der Oberfläche dar. Tolik stellte sich ausgeschlagene Scheiben vor, geborstene Betonwände und ramponierte Stufen, über die kichernde Wollknäuel hüpften. Tagein, tagaus hatten die Mutanten das Panorama der ausgestorbenen Stadt vor Augen, wussten alles über die Bedingungen an der Oberfläche, hatten jedoch keine Möglichkeit, ihre Kenntnisse weiterzugeben.
Wer waren die Wollknäuel vor der Katastrophe gewesen? Menschen, die dann zu Tieren degenerierten, oder Affen, die durch Mutation erste Anzeichen von Vernunft an den Tag legten. Ein Wunder war so oder so geschehen, egal ob mit positivem oder negativem Vorzeichen. Die Natur hatte nur zwei Jahrzehnte gebraucht, um die herkömmlichen Vorstellungen von Zivilisation über den Haufen zu werfen.
Katars Satanisten zum Beispiel hatten das Glück gehabt, Menschen zu bleiben. Doch anstatt dieses Geschenk anzunehmen, hatten sie sich auch ohne den Einfluss von Radioaktivität in Monster verwandelt. Fast dasselbe war bei den Faschisten zu beobachten. Tolik fiel sein Albtraum wieder ein, in dem Michail das Wort »Zivilisation« geradezu schulmeisterlich Silbe für Silbe ausgesprochen hatte. Die Mutanten dagegen hatten sich eine erstaunliche Menschlichkeit bewahrt – trotz allem, was sie durchmachen mussten.
Nachdem sich alle wieder einigermaßen berappelt hatten, setzte das ungleiche Trio seinen Weg durch den Tunnel fort. Diesmal ging Michail voraus. Tolik war nicht unglücklich darüber, die Führungsrolle los zu sein. Die Sitten an der Ringlinie, wo sie vermutlich herauskommen würden, kannte er nur vom Hörensagen.
In Toliks Vorstellung hielten sich die Bürger der Hanse für die Elite der Metro. Sie trieben Handel und gaben sich Zerstreuungen hin. Schmutzige Arbeiten waren dagegen weniger ihr Fall. Die überließen sie lieber den armen Schlu ckern weniger wohlhabender Metrostationen.
Tolik warf einen Blick auf Michail. Die hochwertige Kleidung und der stolz in den Nacken geworfene Kopf waren untrügliche Zeichen dafür, dass dieser Mann zur Kaste der Privilegierten gehörte. Im Moment verhielt er sich seinen Begleitern gegenüber durchaus freundschaftlich – kein Wunder, er stand noch immer unter Schabdars hypnotischem Bann. Erst wenn dessen Wirkung nachließ, würde sein wahres Gesicht zum Vorschein kommen.
Als hätte er Toliks Gedanken gelesen, drehte sich Michail um.
»Ich glaube, ich weiß jetzt, wo wir uns befinden . A llem Anschein nach führt der Tunnel zur Kiewskaja . Wenn er allerdings dort endet, wo ich vermute, wird es äußerst schwierig werden, zur Station durchzukommen . A n der Stelle blockiert nämlich ein Stahltor den Ausgang des Tunnels. Ich habe dort noch nie jemanden herauskommen sehen. Das Tor befindet sich in einem der beiden Wendetunnel, in denen die Züge das Gleis wechselten, als die Kiewskaja noch Endstation war. Später dann, kurz vor dem Krieg, dienten die Wendetunnel zum Abstellen von Zügen über Nacht. Heutzutage hat man anscheinend kein e Verwendung mehr für sie. Soweit ich weiß, wurde
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