Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)

Gutes verhieß.
    Tolik und Krabbe gehörten – wenig überraschend – zur dritten Kategorie und landeten ebenfalls in der Kommandantur . A neinandergereihte Bretterwände trennten den Innenraum in zwei Hälften. In der einen saßen auf Holzbänken oder einfach auf dem Boden die Unglücksraben, die den Argwohn der Wachposten erregt hatten. In der zweiten stand ein Tisch, über dem in geringer Höhe eine Schirmlampe hing. Hier residierte die Kommandantur höchstselbst . A m Rand des Tischs stand ein dampfender Wasserkessel.
    Die vier Männer, die in entspannter Teelaune verweilten, bliesen frohgemut Rauchringe in die Luft, klopften die Asche ihrer Selbstgedrehten ab und unterhielten sich angeregt. Dabei beugten sie sich immer wieder über eine Karte.
    Als einer der Wachposten Meldung machte, dass zwei äußerst verdächtige Individuen festgenommen worden seien, hob der offenbar wichtigste und zugleich fetteste der Männer genervt die Hand und winkte ab.
    »Der Kommandant ist beschäftigt. Siehst du das nicht? Hoppla! Eine Sechs!«
    Tolik, der zuerst gedacht hatte, die Kommandantur bespreche den Ablauf irgendeiner geplanten Razzia, hätte beinahe lachen müssen. Die Männer am Tisch benutzten eine Metrokarte als Spielfeld. Sie würfelten abwechselnd und zogen dann ihre Spielfigur um eine entsprechende Anzahl von Stationen vorwärts. Den Farben der Figuren nach zu schließen bewegte sich jede über eine eigene Metrolinie. Das Spiel war also nicht völlig primitiv und verlangte von den Beteiligten ein Mindestmaß an Konzentration.
    Der Kommandant war augenscheinlich auf der Siegerstraße und bestens gelaunt. Bis sein Blick zufällig au f Tolik fiel. Der hatte sich inzwischen schon daran gewöhnt, dass sein e Visage gewisse Assoziationen hervorrief, und deshalb wunderte er sich nicht, als der Kommandant ihn mit dem Finger herbeiwinkte.
    »Na, wo kommen wir denn her, junger Mann?«
    »Von der Majakowskaja «, log Tolik. Er fand, dass diese Station am besten zu seinem erbärmlichen Outfit passte.
    »Und Papiere haben wir natürlich keine dabei, stimmt’s?«
    Tolik nickte und sah den Kommandanten dabei provozierend an. Das hätte er natürlich lieber nicht tun sollen, denn von Herumtreibern ohne Papiere wurden unterwürfige Umgangsformen erwartet. Der Kommandant erhob sich, ging einen Schritt au f Tolik zu und sog geräuschvoll die Luft ein.
    »Pfui Deibel! Und stinkt wie ein Pferd! Ich weiß schon, was wir mit dir machen werden. Heute übernachtest du in der Abkühlzelle und ab morgen wirst du unsere famose Kloputzertruppe verstärken. Dich mach ich fertig, Junge. In einer Woche wirst du mir aus der Hand fressen und dir dein freches Glotzen abgewöhnt haben. Das garantiere ich dir . A n der Kiewskaja können wir keine Unruhestifter brauchen. Und wir haben hier noch jeden kleingekriegt. Kapiert?!«
    Stoisch musterte Tolik den Kommandanten. Seine fiese, schweißglänzend e Visage. Den weißen Offizierskragen, der in den himbeerroten Hals einschnitt. Seine dicken Finger und die gelblichen, fettverschwollenen Augen.
    Hatte er es nötig, sich von diesem herausgefressenen Arschloch anschreien zu lassen? Mit welchem Recht entschied dieses Schwein darüber, was er, Tolik, verdient hatte und was nicht? Was bildete sich der Fettwanst ein, ihn zu belehren oder gar »fertigzumachen«?
    Toliks Schläfen pulsierten.
    Fressen sich auf Kosten von anderen fette Wampen an … Liefern Waffen an Sklavenschinder … Nehmen die unseligen Missgeburten von der Molodjoschnaja in die Mangel …
    »Leck – mich – am – Arsch«, sagte Tolik gedehnt und fügte angeekelt hinzu: »Ausbeuter.«
    Das Gesicht des Kommandanten wurde zuerst weiß und dann knallrot.
    »Was steht ihr hier dumm herum, ihr Trottel«, brüllte er die Wachmänner an. »Ab mit den beiden in die Abkühlzelle! Die knöpfen wir uns noch genauer vor. Wer weiß, ob das nicht rote Spione sind! Einen Ausbeuter hat er mich genannt, wie? Kommunistenschwein!«
    Tolik und Krabbe wurden rüde aus dem Zelt geworfen. Nach dem vernichtenden Verdikt des Kommandanten hatte sich der Umgang mit den Gefangenen grundlegend verändert. Die beiden Aufseher waren jetzt nicht mehr zimperlich. Kloputzer und mutmaßliche Sympathisanten der Kommunisten hatten eine entsprechende Behandlung verdient. Mit Schafthieben wurden die beiden Delinquenten über den ganzen Bahnsteig getrieben und in eine absurd kleine Kammer gestoßen, in die der Kommandant nicht einmal allein hineingepasst hätte. Nur dicht