Im Tunnel: Metro 2033-Universum-Roman (German Edition)
aneinandergedrängt fanden Tolik und Krabbe überhaupt darin Platz.
Die Abkühlzelle war alles andere als kalt. Im Gegenteil. Da keinerlei Lüftung vorhanden war und die beiden Insassen allmählich den Sauerstoff verbrauchten, wurde es nach einer halben Stunde furchtbar heiß und stickig in dem Loch. Mit dem Ärmel wischte sich Tolik den Schweiß aus dem Gesicht.
Ungefähr zwei Stunden vergingen in völliger Stille. Die Hitze war inzwischen unerträglich geworden. Tolik kam der Gedanke, dass er lieber gleich mit dem Kloputzen angefangen hätte, als in dieser Folterkammer lebendig gebraten zu werden. Insgeheim flehte er die Hanseaten an, ihn zur Arbeit abzuholen, doch als tatsächlich der Türriegel quietschte, traute er seinen Ohren nicht.
Es war noch mitten in der Nacht. Hatten die Chefs der Kiewskaja sich womöglich einfallen lassen, noch vor Tagesanbruch sämtliche Toiletten auf Vordermann zu bringen?
Die Tür ging auf. Tolik schlug ein Schwall frischer Luft entgegen, und gleichzeitig wurde er von einer Taschenlampe geblendet.
»Da seid ihr ja!« Michail zwängte sich in die Kammer, schaute sich um und lehnte die Tür hinter sich an. »War gar nicht leicht, euch zu finden. Hat euch der Kommandant in dieses Loch gesteckt?«
Tolik nickte. Michail war der Letzte, den er hier erwartet hätte. Offenbar gehorchte das Gehirn des Kaufmanns immer noch den Eingebungen von Schabdars Hypnose. Er zog zwei Kärtchen mit dem Emblem der Hanse aus der Tasche und reichte sie Tolik.
»Das sind Passierscheine. Damit kommt ihr durch jeden Kontrollposten . A uch außerhalb der Hanse werden sie euch nützliche Dienste leisten. Die Gemeinschaft der Ringstationen hat immer noch eine gewisse Autorität in der Metro.«
Das Gerede von der unantastbaren Autorität der Hanse konnte Tolik schon nicht mehr hören – bei aller Dankbarkeit. Er steckte die Passierscheine in die Hosentasche.
»Können wir sofort los?«
»Ja. Jetzt ist der ideale Zeitpunkt . A lle schlafen, und bei den Kontrollposten war gerade Schichtwechsel. Seht zu, dass ihr weiterkommt. Gut möglich, dass ich wegen euch noch Schwierigkeiten bekomme. Eigentlich weiß ich gar nicht, warum ich euch überhaupt helfe . A ber vergesst nicht: Ich kann es mir jederzeit anders überlegen . V erzieht euch schleunigst zur Krasnopresnenskaja , und kommt mir nicht mehr unter die Augen!«
Völlig unvermittelt warf sich Krabbe Michail an den Hals und beteuerte, er würde ihm seine uneigennützige Hilfe nie vergessen und noch seinen Kindern davon erzählen. Dabei hatte der Bandit überhaupt keine Kinder. Diesmal bemerkte Tolik sogar, wie noch ein weiterer Passierschein aus der Tasche des Händlers in Krabbes Ärmel wanderte. Da ist Hopfen und Malz verloren, dachte er schmunzelnd, packte den Banditen am Schlafittchen und zog ihn aus der Kammer.
Am Bahnsteig der Kiewskaja schliefen keineswegs alle, aber das Gedränge, das hier tagsüber herrschte, hatte sich merklich gelichtet. Möglichst unauffällig schlenderten Tolik und Krabbe zum nächsten Säulendurchgang, bogen um die Ecke und sprangen aufs Gleis hinunter.
Als die schläfrigen Wachen am Kontrollposten die Ankömmlinge bemerkten, wurden sie schlagartig munter. Einer trat vor und zog derart grimmig die Brauen zusammen, dass sofort klar war: Diese beiden dubiosen Gestalten würden die Station nicht verlassen.
Einen Meter vor dem Posten blieben Tolik und Krabbe stehen und zogen ihre Passierscheine aus der Tasche. Dem Wachmann wären beinahe die Augen herausgefallen. Die Passierscheine waren offenbar mehr wert als gewöhnliche Pässe mit einem Einkleber, der die Zugehörigkeit zur Hanse bestätigte. Waren es möglicherweise irgendwelche Geheimdienstausweise? Auf den Kärtchen war zwar nichts dergleichen vermerkt, aber wer wusste das schon?
Der Wachmann drehte die Passierscheine hin und her und leuchtete sie mit der Taschenlampe an. Es hätte nur noch gefehlt, dass er hineinbeißt, um zu prüfen, ob es sich um eine Fälschung handelte. Nachdem der furchterregende Typ sich davon überzeugt hatte, dass die Dokumente echt waren, trat er zur Seite und winkte seinen Kollegen zu.
»Lasst sie durch. Die sind sauber.«
Kaum hatten sie den Kontrollposten passiert, machte Krabbe Anstalten loszupreschen. Tolik verstand zwar, dass der Bandit so schnell wie möglich Land gewinnen wollte, doch es wäre töricht gewesen, sich durch eine solche Fluchteinlage im Nachhinein verdächtig zu machen. Er packte Krabbe am Schoß seines Sakkos und hielt
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