Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
Vom Netzwerk:
Stuhllehne und ließ sich auf die Sitzfläche niedersinken. Jeder hätte es ihr zustecken können, absolut jeder. Wie viele Leute waren an ihrem Trenchcoat im Studio vorbeigelaufen, wie viele hatten sie in der U-Bahn angerempelt?
    Durch den Spalt zwischen den Gardinen schaute sie auf die dunkle Allee. Häuser, Bäume. Ein Schatten.
    Poul, der vom Gartentor zu ihr herübersah.

6
    Meistens war es Elinor, die ihr öffnete und Leah zum abendlichen Putzgang hineinließ. Die Metalltür des Studios ging auf, und Leah trat aus der Herbstnacht in das helle, warme Licht des Korridors. Elinor lächelte, fragte, ob sie nicht zuerst den brasilianischen Kaffee trinken wollten, und noch bevor Leah sich versah, saßen sie im Büro mit zwei dampfenden Tassen in den Händen. Der Kaffee war gut. Die Bemühungen, etwas mehr zu erfahren, dagegen völlig vergeblich. Sobald die Namen Nick oder Céline fielen, stieß Leah auf eine Mauer des Schweigens. Danach folgten die obligatorische Herzlichkeit und sonstiges belangloses Gerede. Genauso wenig gelang es ihr, etwas über Kay Gordon in Erfahrung zu bringen. Die Einsätze eines CIA -Agenten hätten keiner geringeren Geheimhaltung unterliegen können als das Privatleben des Studiochefs.
    Leah schloss die Hände um die Tasse und nippte an dem Kaffee. Elinor redete wieder einmal ohne Punkt und Komma, bis sie mitten im Satz innehielt, sich vorbeugte und ihre voluminösen Brüste auf dem Tisch drapierte. »Und jetzt tun Sie mir den Gefallen, und sagen Sie endlich, warum Sie wirklich hier sind. Sie haben es doch gar nicht nötig zu putzen.«
    Sie waren allein. Die geflüsterten Worte der Managerin, diesoplötzlich in das Halbdunkel des Büros schnitten, jagten Leah einen Schauer über den Rücken. »Wir kommen mit meinem Gehalt nicht aus, einen Zweitjob kann ich gut gebrauchen.«
    Eine lauwarme Wahrheit. Elinor wartete auf mehr, mit einem fordernden Glanz in den Augen, der sich nicht mit einer schwachen Behauptung zufriedengab.
    »Mein Stiefpapa war selbstständig, Alleinverdiener. Nach seinem Schlaganfall standen wir bald vor dem Nichts.« Sie schaute an Elinor vorbei. Es war schwer, darüber zu reden. All die Jahre hatte sie es zu gut in ihrem Innern verschlossen, und niemand fragte danach, denn abgesehen von Poul hatten sich die früheren Kontakte nach und nach gelöst. Als wäre Trauer etwas Ansteckendes.
    »Meine Mutter hat uns alle zusammengehalten. Sie verzichtete darauf zu arbeiten, um meinen Stiefpapa zu pflegen, kümmerte sich um meine Schwester und beteuerte immer wieder, dass ich weiterstudieren und so wenig wie möglich an die Probleme zu Hause denken solle. Damals wusste ich nicht, wie hoch sie sich dafür verschulden musste.«
    Eine schwere, feuchtwarme Hand legte sich auf ihre. »Das tut mir leid für Sie. Wie geht es Ihrem Stiefvater jetzt?«
    »Er ist gestorben.«
    Drei leere Worte. Leer wie sein Zimmer, als sie nach dem Abschluss heimgekehrt war. Im ersten Moment hatte sie es nicht einmal begriffen. Sie stand im Flur, stand im Nichts, gefangen in der eigenen Atemlosigkeit.
    Wir wollten dich damit nicht belasten, rang sich die Mutter zu einer Erklärung durch – damals noch eine dünne Gestalt wie eine ausgedörrte Birke. Er ist in Frieden von uns gegangen. Dabei hatte ich gerade eben sein Zimmer neu gestrichen, maigrün wie die Hoffnung, wie Harmonie und Verjüngung, wie das Leben selbst.
    In Frieden?, hatte Céline aufgequiekt. In Frieden? Er hasste alles hier. Er hasste dein Froschfotzengrün. Er hasste dich!
    Leah schluckte. Die Kehle tat ihr weh. »Ich weiß nur, dass es ihm plötzlich immer schlechter ging und letztendlich … Ich denke, er wollte einfach nicht mehr.« Elinors Finger, die auf ihrem Handgelenk lagen, schienen Pfunde zu wiegen. Sie hatte nicht einmal die Kraft, ihren Arm zurückzuziehen und diese Last abzustreifen.
    »Ein schwerer Schlag für Ihre Familie.« Elinor spannte die Lippen, die sich wie zwei blutrot schimmernde Striche in ihr Gesicht schnitten, und nickte. »Ich habe meine Katze sterben sehen. Blasenkrebs. Eine OP , dann die Chemotherapie, unterstützend Homöopathie – ich habe alles versucht. Aber sie hat es trotzdem nicht geschafft. Seitdem ertrage ich kein Tier in meiner Nähe. Ich kann nicht einmal einen Hund streicheln, ohne an meine Soley zu denken.« Elinor senkte die Lider und lehnte sich zurück. Trauer lag auf ihrem Gesicht, ein so tiefer, erschreckender Schmerz, dass er kaum bloß einer Katze gelten konnte. »Ach, was erzähle ich

Weitere Kostenlose Bücher