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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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    Sie kamen beide. Eng umschlungen, leise, wie der erste, lang ersehnte Schnee.
    Später war sie in seinen Armen eingeschlafen, direkt auf dem Boden. Er hatte ebenfalls die Augen geschlossen und das Gefühl genossen, wie ihr Körper schwerer und entspannter wurde.
    Ihr Bein umschlang seine Hüfte, und er versuchte, nicht daran zu denken, dass er ihre enge, heiße Nähe schon wieder wollte.
    Sie hatten kein Wort zueinander gesagt. Als wären alle Worte dieser Welt zu ihren Berührungen geworden – und mehr brauchten sie beide nicht.
    Er lauschte ihrem Atem, und es tat ihm gut, die Wärme ihres Körpers an seiner Seite zu spüren. Seine Finger nestelten an ihren Haarsträhnen, die jetzt nicht mehr nach ihrer Unruhe und seiner Befangenheit rochen, sondern einfach ein wenig nach ihm.
    Er blickte in die Dunkelheit und begann es ihr zu erzählen.
    Das, was er noch nie jemandem erzählt hatte.

11
    Sie wachte in Kays Umarmung auf, öffnete die Augen und lächelte dem Morgen entgegen. Das Tageslicht hatte sich durch die grapefruitfarbenen Gardinen gekämpft und weitete den Raum im orangefarbenen Schimmer fast bis zur Unendlichkeit aus. Still lag das Haus da, still wie der Ausklang ihres Traums, in dem sie mit Kay zusammen war.
    Sie stützte sich auf einen Ellbogen und schaute auf ihn herab. Verwirrend, beängstigend und zugleich so belebend, dieses Gefühl, ihn zu lieben, jedem Verdacht zum Trotz.
    Nein, nein, an ihr Misstrauen zuvor wollte sie nicht einmal denken. Behutsam hatte er sie durch ihre Dunkelheit geführt. Sie fühlte sich geborgen in seinen Armen. Glücklich.
    Es war einfach passiert, und jetzt wusste sie nicht, wohin mit seiner Nähe. Wohin mit dem Verlust, wenn er fortging. Wie Céline oder ihr Stiefpapa. Wie all die, die bereits fortgegangen waren.
    Seine eine Wange ruhte auf dem Teppich. Was sie an diesem Anblick so schmerzlich berührte, war der Frieden auf seinen Zügen. Der gleiche Frieden, den sie gestern unter seinen Berührungen verspürt hatte. Den sie nicht mit Fragen über Céline, die Fotos, Hate me hatte zerstören wollen. Und irgendwann hatten diese Fragen keine Rolle mehr gespielt.
    Der Pullover war in seinem Nacken hochgeschoben, das Label mit dem Logo D&G lugte hervor. Dolce & Gabbana – das sagte sogar ihr etwas. Auf ihren Wäschezetteln dagegen konnte man höchstens ein verblasstes » bei 40 Grad waschen « finden.
    Sie zupfte seinen Pullover zurecht. »Ich habe Angst, mich zu sehr in dich zu verlieben, Kay.« Ihre Hand lag auf seiner Wange und fühlte die Bartstoppeln. Ob die das Einzige waren, was die Nacht mit ihr bei ihm hinterließ? »Wir zwei gehören nicht zusammen. Irgendwann wird das uns beiden klar, und dann … «
    Aber noch war es ihnen nicht klar. Zumindest wollte ihr Körper nicht das Geringste davon wissen. Ihr Körper, ja, der immer noch den seinen wollte.
    Sie hatte sich noch nie kalt geduscht – höchste Zeit, damit anzufangen.
    Das Wasser und das Duschgel spülten seinen Geruch von ihrer Haut. Ihre Hände massierten sanft durch den Schaum am Bauch, glitten ihre Hüften hoch und herunter, wanderten die Oberschenkel entlang. Ihre Hände, seine Hände … Scharf atmete sie ein. Kalt duschen, das war der Plan. Sie drehte den Wasserhahn bis zum Anschlag und quiekte auf, als der eisige Strahl sie erwischte. Wenigstens hatte sich ihr Verstand mit ihrem basic instinct darauf geeinigt, dass diese Nacht nichts bedeuten durfte. Sie sollte sich keine falschen Hoffnungen machen und ihre Zweifel an ihm nicht vergessen. Auch wenn sie es sich so sehr wünschte.
    Die Mutter schlief noch, als sie nach ihr sah, verborgen unter einem Berg von Decken wie in einem Maulwurfbau. So bald würde sie nicht aufstehen – jede Nacht glich bei ihr einem Winterschlaf, vorausgesetzt, sie vergaß ihre Medikamente nicht. Trotzdem deckte Leah den kleinen Küchentisch für drei Personen.
    Die Sonne glaubte, sich vom blauen Himmel gnadenlos freuen zu müssen. Leah wandte das Gesicht den Strahlen zu. Jetzt, bei Tag, war ihr Drang verschwunden, sich hinter den Gardinen und Rollos zu verstecken.
    Sie holte eine Clementine vom Obstteller, löste die Schale ab und fächerte die Frucht auf. Die Stückchen ordnete sie auf einem Blatt Küchenkrepp, das sie auf der Fensterbank, direkt im Sonnenschein, ausgebreitet hatte. Sie nahm eine der Spalten, umschloss sie mit den Lippen und biss davon ab. Den Rest legte sie zurück, während sie den Saft auf der Zunge kostete.
    Ihr Blick fiel auf den Obdachlosen, der auf

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