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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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Ich kann nicht mehr. Dann hat die Tür geknallt. Sie ist davongelaufen, nehme ich an. Er – hinterher, anscheinend, ja. Ich bin rausgegangen, um nach dem Rechten zu sehen. Sie war wohl gestolpert, hier auf dem Treppenabsatz.«
    »Hat er sie gestoßen?«
    »Wer weiß! Ja, jedenfalls hockte er bei ihr, als ich herauskam. Ich habe gefragt, ob sie Hilfe braucht. Sie meinte: Lügner. Also, zu ihm, nicht zu mir. Und: Ich habe dir vertraut. Ich bin dageblieben, ja, bis sie sich aufgerappelt hatte und davongehumpelt war. Dieser Milla ist dann schnell in seiner Wohnung verschwunden.«
    Lügner? Leah schmunzelte traurig. Wann immer Céline geschimpft hatte, hatte sie sich einer anderen Ausdrucksweise bedient. » Lügner « würde beinahe zärtlich aus ihrem Mund klingen, was bedeutete … dass ihre Schwester ihn gemocht hatte. »Was ist er denn für ein Typ?«
    Der Hausmeister zuckte die Schultern. »Selten da. Ab und zu habe ich ihn mit ein paar Frauen gesehen, ja. Ihre Schwester war nicht die einzige … Freundin . Kann man schwer sagen, wer wem nachläuft. Alles hübsche Dinger. Ja … « Die ersten Töne von La donna è mobile gaben sich alle Mühen, seine Worte zu untermalen. Er hörte zu, den Kopf im Takt wiegend.
    Die Eingangstür des Hauses schlug zu. Kurz darauf ertönten Schritte. Leah horchte. Jemand pirschte sich heran, nur ein paarmal ertönte ein leises Klacken von einem unvorsichtigen Schuhabsatz. Diese seltsame, vorsichtige Gangart – vielleicht hatte sie sich doch zu leichtfertig davon überzeugt, nicht beobachtet zu werden? Sie schnappte nach Luft, schluckte den scharfen Paprika-Knoblauch-Geruch. Der Gedanke an den Schatten an ihrem Gartentor und die Erinnerung an das wutverzerrte Gesicht des Obdachlosen in der Gasse schnürten ihr die Kehle zu. Sie packte den Hausmeister an den Schultern, schob ihn und sich in seine Wohnung und stieß die Tür mit der Ferse zu.
    »Entschuldigung«, hauchte sie ihm ins Gesicht, während sein Bauchansatz sich bei jedem Atemzug gegen sie stemmte. Sie ließ den Mann los. »Verzeihung. Es ist kein Überfall, ich bin schon wieder weg.«
    »Ja. Ich … ähm … « Seine langen Finger nestelten an der Gürtelschlaufe, sodass der Totenkopf mit der Rose unruhig hin und her rutschte. »Ja … meine … Gattin … sie flippt aus. Verschwinden Sie lieber!«
    È sempre misero , strengte sich der Herzog von Mantua an, chi a lei s’affida …
    Mitten im hohen F der Canzone entlud sich eine Frau mit dem Resonanzkörper einer Opernsängerin und der Stimmgewalt einer Brunhilde in den Flur. »Fra-ank? Deine Paaasta all’arrabbiata brennt an.« Das hohe F hielt sie selbstbewusst mit, wenn auch falsch. »Was soll ich jetzt dazugeben? Wer ist das Weibsbild?«
    »Ja. Ähm. Schatz. Sie ist wegen der Wohnungsbesichtigung hier, ja. Du weißt schon. Nebenan.«
    Die Frau drückte ihm eine zusammengeknüllte Schürze und den Kochlöffel in die Hände. »Ich kümmere mich darum. Mach du das Essen fertig, solange ich es noch nicht gänzlich verkorkst habe.«
    Leah wich zurück, als diese Naturgewalt von Mensch auf sie zuzurollen begann. Der Mann band fast erleichtert die Schürze über die Totenkopf-Schnalle und platzierte einen Kuss auf der glänzenden Wange seiner Holden, als diese an ihm vorbeischwebte.
    »Eine Wohnung also.« Das selbstbewusste falsche F schien die Grundtonlage ihres Gesangstalents auszumachen.
    »Machen Sie sich keine Mühe! Die Wohnung, die kann warten. Es war auch naiv von mir, ohne Termin hier aufzutauchen. Ich komme lieber ein anderes Mal wieder.« Zwei D-Körbchen wälzten sich auf sie zu, und bevor zwischen ihr und ihnen nur Pressluft blieb, griff sie nach der Klinke und schlüpfte aus der Wohnung.
    Wieder draußen atmete sie durch und hielt sogleich die Luft an. Ob derjenige, der ihr nachgestellt hatte, inzwischen gegangen war? Vielleicht hatte ihr auch die inzwischen tief verwurzelte Angst vor Verfolgern einen Streich gespielt, und in Wirklichkeit war es ein Mieter gewesen, der bloß nach Hause wollte. Mit einem Mal kam ihr ihre überstürzte Reaktion lächerlich vor. Hoffentlich bekam der Hausmeister jetzt keinen Ärger wegen des ungewollten weiblichen Besuchs.
    Im Treppenhaus roch es nach einem Abschied von Pasta all’arrabbiata und erinnerte sie daran, dass ihre Mittagsmahlzeit bloß aus einer bröckeligen Stulle bestanden hatte. Darunter mischte sich ein leichter Geruch von Zigarettenasche, neben dem sich ein Hauch von Zitronenduft tapfer behauptete.
    Von oben

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