Im Visier des Todes
warten.«
Hinter der nächsten Schranktür fand Leah einen Fotoapparat. Keine große Überraschung bei einem ehemaligen Assistenten in einem Fotostudio. Sie schaltete das Gerät ein, das sie sogleich über die fehlende Speicherkarte informierte. »Hast du das von Thessa und Céline gewusst?« Leah drehte sich um und bemerkte, wie Nathalie sich etwas unter den Pullover schob. »Was hast du gefunden?«
»Nichts. Mein BH rutscht.« Nathalie zog eine Grimasse, die eher an eine Comicfigur als an ein Glamour-Girl erinnerte. »Was soll ich über Céline und Thessa gewusst haben?«
»Dass die beiden ein Liebespaar waren.« Leah musterte ihre Mittäterin, doch der Pullover verriet nicht, was darunter verborgen sein könnte. Außer üppigen und dennoch sehr femininen Kurven.
»Aaah!« Nathalie setzte sich an die Tischkante, den Arm lässig um den Bauch geschlungen. »Okay, wenn du es genau wissen willst: Wir haben uns auf einer Party volllaufen lassen. Keine Ahnung, wie wir heil zu Hause angekommen sind, da war mehr Glück als Verstand im Spiel. Bereits im Flur begann Thessa an Céline zu fummeln. Die beiden landeten im Bett – und das war eine Nacht, sag ich dir. An ihrem › Ooooh! ‹ und › Jaaaah! ‹ durfte sich das ganze Haus erfreuen. Am nächsten Morgen war Céline nüchtern, aber Thessa … nun ja.«
»Sie hatten also keine richtige Beziehung miteinander?« Sie inspizierte den Anrufbeantworter auf der Telefonanrichte. Der Hörer fehlte, dafür leuchtete auf dem Display die Zahl 01. Leah drückte auf den Play-Knopf. Eine männliche Stimme meldete sich: »Die Party steigt heute Abend. Deine Chance, zu zeigen, was du drauf hast. Versau es nicht!«
»Ob mit einem Männlein oder einem Weiblein – Céline war grundsätzlich kein Typ für richtige Beziehungen.«
»… November, fünfzehn Uhr zweiundzwanzig. Sechs alte Nachrichten.«
»Du glaubst gar nicht, wie Thessa ausgerastet ist, als ihr der Verdacht gekommen ist, deine Schwester hätte einen Freund. So.« Nathalie richtete sich auf und zupfte am Saum ihres Pullovers. »Lass uns abhauen.«
»Wir haben doch nichts gefunden!« Sie starrte auf den Arm, den Nathalie immer noch vor dem Bauch hielt. Nein, so einfach würde sie nicht klein beigeben. Sie streckte eine Hand aus. »Lass sehen!«
»Was?«
»Was auch immer du da hast. Raus damit!«
Die Katze fauchte.
Aus dem Flur ertönte das Klicken des Schlosses.
»Verdammte Scheiße! Ich hab doch gesagt, lass uns abhauen.« Nathalie stolperte zur Seite, machte ein paar unbeholfene Schritte, als wäre sie auf einem Laufsteg aus dem Takt gekommen.
»Sei still.« Leah packte sie am Oberarm und zog sie mit sich in den nächsten Raum. Ein Schlafzimmer. Vier Wände, ein Bett, ein schmaler Schrank, eine Kommode. Nathalie schüttelte Leahs Hand ab, stolperte wieder, dieses Mal in Richtung Fenster. Ihre Hände bebten, als sie das Fenster öffnete, ihr Täschchen auf die Fensterbank legte und sich nach draußen lehnte. »Okay. Es ist zu schaffen. Von hier aus kommen wir auf den Balkon der Nachbarn, und dann sehen wir weiter.« Nathalie zog die Stiefeletten aus, drückte sie Leah in die Hände und kletterte auf die Fensterbank.
»Du bringst dich noch um!«
»Wenn wir hierbleiben, wird der uns umbringen. Wie Céline.« Mit dem Kopf deutete sie hinter sich. Verräterisch schimmerte das Licht durch den Spalt unter der Tür. In ihrer Panik hatten sie es nicht geschafft, die Deckenlampe im Wohnzimmer auszumachen.
Die Schritte näherten sich.
Leah hielt den Atem an.
»Hallo, Prinzessin«, tönte es aus dem Wohnzimmer. »Hast du mich vermisst?«
Ihr eigener Herzschlag antwortete in der Stille. Er hatte eine angenehme, ruhige Stimme. Warum nur klang Schau mir in die Augen, Kleines so beständig in ihren Ohren? Die Katze miaute und holte sie in die Gegenwart zurück.
»Nath…« Leah sah zum Fenster, doch auf der Fensterbank lag nur noch das Handtäschchen. Sie ließ die Arme sinken. Die Stiefeletten fielen zu Boden. Von dem viel zu lauten Geräusch zuckte sie zusammen. »Verdammt, Nathalie! Mag sein, dass du mal für ein Bond-Girl gecastet wurdest, ich dagegen bin meilenweit davon entfernt.«
Etwas schlug gegen die Tür zum Schlafzimmer. Verrückt , pochte der Gedanke in ihre Schläfen, als sie die Stiefeletten packte und sich unter das Bett mit dem durchgelegenen Lattenrost zwängte.
Ein weiterer Schlag folgte, dumpf und weich.
Dann wurde die Klinke heruntergedrückt.
»Prinzessin … «
13
»Zeig mir, dass du
Weitere Kostenlose Bücher