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Im Visier des Todes

Im Visier des Todes

Titel: Im Visier des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: O Krouk
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ihre Fußfesseln durchtrennt wurden. Die Hände zerrten sie aus dem Kofferraum. Hart fiel sie auf den Boden, spürte jeden Pflasterstein, der sich in ihren Körper bohrte, jedoch keinen Schmerz.
    Sie war müde. Schloss die Augen. Doch Ruhe war ihr nicht vergönnt. Sie wurde hochgezogen, stand schwankend da, bis ihre Beine ihr den Dienst versagten und sie auf die Knie aufschlug.
    Kein Schmerz. Ihr Verstand drohte in ein diesiges Nichts abzugleiten. Am Rande ihrer Wahrnehmung tauchte der Gedanke auf, dass sie kämpfen wollte, doch sie ließ ihn weiterziehen. Auf einmal war ihr alles gleichgültig. Sie wollte sich bloß ausruhen, ein wenig schlafen, aus der Realität fliehen – mehr nicht.
    Sie wurde geschubst und gezerrt, Schritt für Schritt vorwärtsbefördert, stolperte ein paar Stufen hoch. Anscheinend wurde sie in ein Haus gebracht, doch es war dort genauso kalt wie draußen, und sie spürte immer noch den Wind auf ihrem Gesicht. Mit einer Schulter streifte sie eine Wand, als sie erneut schwankte, und hätte fast das Gleichgewicht verloren, wenn der feste Griff um ihren Oberarm sie nicht festgehalten hätte.
    Eine Tür quietschte. Die nächsten Stufen führten abwärts. Der Strick um ihren Hals wurde gelöst, der Sack von ihrem Kopf gezerrt. Sie stolperte, kippte zur Seite, doch niemand fing sie auf.
    Sie fiel. Einfach ins Nichts. Ohne Schmerzen. Losgelöst von der Wirklichkeit.
    Nacht, durchzuckt von einem Blitzlicht.

15
    Kay drehte am Fokussierring. Die Umrisse des rostigen Hakens und des daran gebundenen Seils gewannen an Schärfe, während die Unebenheiten der Wand sich in einer verschwommenen Suppe auflösten. Neben dem Haken zeichneten sich die Linien einer Schulter ab, der Hals, das wohlgeformte Ohr, dunkle Haarsträhnen, die auf die blasse Haut einzustechen schienen.
    Kay senkte den Fotoapparat und schaute auf. Er war zufrieden. Wie schon lange nicht mehr. Seine Courage, der Nervenkitzel, der Schöpfergeist – er trank davon wie zum ersten Mal, verwundert darüber, wie viel Erregung die Kamera in seinen Händen ihm schenkte.
    »Leah«, flüsterte er. Ja, sie brachte ihn wieder zu sich, ließ sein Herz wieder schlagen, so stark und fordernd, dass er es endlich hörte.
    Noch einmal betrachtete er die Szenerie, prüfte jedes Detail, das die Stimmung erwecken oder sie völlig ruinieren könnte. Die alte Kellertreppe führte nach unten, aus dem fast undurchdringlichen Dunkel in das schwache Licht, das nur aus der Fensterluke weit oben zu fallen schien. An den Rändern der durchgebogenen Stufen hatte sich das Laub verfangen und zerfiel bei der kleinsten Berührung. Der Anstrich der Treppe war größtenteils abgeplatzt, die Risse entblößten das darunterliegende Holz wie klaffende Wunden.
    »Weiter!« Seine Stimme schien das einzig Lebendige hier zu sein. Er hob die Kamera und blickte durch den Sucher.
    Sie kauerte am Ende der Treppe, die nackten Knie in die Trümmer auf dem Boden gegraben: Steine, Teile vom Putz, der heruntergebröckelt war, ein morscher, auseinandergebrochener Balken.
    Kay hockte sich hin, ließ das Objektiv ihren strammen Schenkeln, den durchtrainierten, aber noch so femininen Muskeln folgen, die sich unter der ebenmäßigen Haut abzeichneten. Kein einziges Härchen störte das Licht- und Schattenspiel an diesen langen, glatten Beinen. Nur etwas Gänsehaut. Er drückte auf den Auslöser. Klack! Ihr großer Zeh hatte sich in einem Stück Netz verfangen, das sich zwischen den spitzen Steinen wölbte. Es bedeckte auch ihre Ferse. Gefangen. Allein. Schutzlos. Klack!
    Sie hielt die Arme hinter dem Rücken verschränkt, den Kopf gesenkt. Das lange Haar verdeckte eine Hälfte ihres Gesichts. Die andere lag im Dunkeln, in dem man die zarten Konturen bloß erahnen konnte. Es machte sie verletzlich, seiner Kamera vollkommen ausgeliefert. Klack!
    »Gut, das ist wirklich gut«, hörte er sich sagen.
    Sie stöhnte, legte den Kopf in den Nacken. Das Haar fiel zurück, doch die Schatten raubten ihr Antlitz vor neugierigen Blicken. Das weiche Licht vermochte bloß ihr Kinn und den Umriss ihrer vollen Lippen für sich zu behaupten. Klack! Klack!
    Sie schob sich zur Seite, drückte sich an die Wand, als könnte diese ihr Schutz gewähren. Etwas Putz rieselte auf ihre Haut. Von jedem Partikel malte das Licht lange Schatten auf ihren entblößten Körper. Sie wandte das Gesicht der Fensterluke zu, schaute auf, als würde in ihr ein Funke Hoffnung erglimmen. Bitte!, zitterte auf ihren halb geöffneten Lippen.

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