Im Visier des Verlangens
fort. „Männer sind wilde Tiere und haben niedere Instinkte – tiefverborgene, dunkle Wünsche, vor denen du entsetzt zurückschrecken würdest, Kate, wenn du davon wüsstest. Wir haben Bedürfnisse, und glaube mir, auch ich habe sie.“
Bang blickte sie zu ihm hoch. Obgleich er bedrohlich dicht vor ihr stand, wirkte seine Haltung gelassen und sein Lächeln gewinnend. Allerdings nahm sie noch etwas in seiner Miene wahr – die zusammengezogenen Brauen, die schmalen Lippen. Etwas Unerklärliches wie drohende graue Wolken hinter einem sonnigen Lächeln.
„Und eben in diesem Moment“, seine Stimme klang rau, „ist mir danach, dir die Röcke zu heben und dich gegen diesen Pfosten gelehnt zu nehmen.“
Ein Knoten schnürte ihr die Kehle zu.
„Ja, es stimmt, auch ich bin eine Bestie.“
Mit seinen Fingern strich er über ihren Kragen, fand die Linie ihres Schlüsselbeins unter dem durchbrochenen Spitzenbesatz. Die zarte Berührung bildete einen krassen Gegensatz zu seinen harten Worten; sie spürte die Wärme seiner Finger an ihrer Haut. Die andere Hand, die seitlich an ihrem engen Mieder nach unten glitt, hinterließ eine heiße Spur auf ihrer Haut. Dann zog er sie näher zu sich. Sie legte den Kopf in den Nacken. Seine verdunkelten Augen leuchteten gefährlich, sie glaubte beinahe, das Lauern des wilden Tieres in ihren Tiefen zu erkennen. Und dann neigte er den Kopf – oh, so langsam, so sanft.
Sie hätte sich mit einer einfachen Drehung retten können. Aber sie spürte die Hitze seines Atems an ihren prickelnden Lippen. Seine Worte hallten in ihr nach. Mir ist danach, dich gegen diesen Pfosten gelehnt zu nehmen.
Eine Stimme in ihr schrie eine Warnung. Er würde sie küssen und sich danach von ihr abwenden. Er würde sie vielleicht sogar nehmen. Dieses Recht stand ihm als ihr Ehemann zu. Und wenn er mit ihr fertig war, würde er gehen. Wie schon einmal. Und sie würde in unerfülltem Begehren zurückbleiben. Sie musste sich schützen. Sie musste sich abwenden …
Aber sie stand bereits in Flammen, und weder ihr noch ihm wäre gedient, wenn sie ihn abwies. Auch Frauen waren wilde Tiere. Ihr Verlangen lauerte wie ein schwarzer Panther, zum Angriff bereit, wenn er sich ihr verweigerte.
Das tat er nicht. Er legte seine Lippen auf ihren Mund, anfangs zaghaft und scheu. Im nächsten Moment aber schlang er die Arme um sie, hob sie hoch und presste sie gegen den Pfosten. Er öffnete den Mund und nahm sich den Kuss, den sie so heiß ersehnt hatte. Dieser Kuss war nicht vorsichtig, höflich oder gesittet. Sein Kuss war tief und leidenschaftlich berauschend. Er schmeckte nach Pfefferminz, und sie erwiderte ihn trunken vor Sehnsucht, die nie zum Erliegen gekommen war.
Sie wusste nicht, wie lange dieser Kuss dauerte, eine Minute, eine Stunde. Als er sich von ihr löste und den Kopf hob, spürte sie den Sonnenschein warm in ihrem Nacken, hörte das Trällern einer Lerche, wehmütig schluchzend aus dem fernen Wald. Jeder Nerv in ihrem Körper prickelte, all ihre Sinne waren geschärft.
„Siehst du?“, sagte Ned. „Männer sind Tiere. Mit dem Unterschied, dass ich das Tier in mir beherrsche, statt mich von ihm beherrschen zu lassen. Glaube nur nicht, dass meine Kontrolle etwas anderes bedeutet als … nun ja, meine Kontrolle. Im Moment ist das Tier sehr hungrig. Es hungert danach, über dich herzufallen, dich zu verschlingen, hier im Freien, wo jeder uns sehen kann. Es will dich haben, und es wird verdammt sein, wenn du nicht bereit bist.“
„Ich war immer bereit.“ Dieses Geständnis kam ihr kristallklar über die Lippen.
„Tatsächlich?“, fragte er trocken. „Ich dachte, unsere Ehe sei ein welkes Blatt“, zitierte er sie, „das mit dem nächsten Windstoß verweht. Kate, du hast kein Vertrauen zu mir. Und ich wäre ein Monster, nach drei Jahren zurückzukehren in der Erwartung, es sei alles so wie früher.“
„Man muss kein Vertrauen haben, um eine Ehe zu vollziehen, Ned.“ Kate schüttelte den Kopf. „Ich bin eine praktischdenkende Frau.“ Aber ihr verräterisches Herz trommelte wild in ihrer Brust.
„Willst du mir sagen“, wechselte Ned unvermutet das Thema, „was dir an Harcroft vorhin missfallen hat? Zugegeben, er kann gelegentlich etwas anstrengend sein in seiner Langatmigkeit und seinem Perfektionismus. Aber ich kenne ihn, seit wir noch kurze Hosen trugen. Er meint es gut. Und er war, nein er ist ein guter Freund, wie du weißt.“
Alle Welt war der Ansicht, dass Harcroft es gut meinte.
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