Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
Vom Netzwerk:
sieben der zwanzig Meldungen von SWIFT übermittelt worden. Die andern stecken noch in der Warteschlange. Wir haben alles überprüft. Der Fehler liegt nicht bei uns. Es muss am Netz liegen. Wir unternehmen alles ...«
    Li unterbrach ihn freundlich und ganz ruhig: »Machen Sie sich keine unnötigen Sorgen. Ich vertraue Ihnen, dass Sie dieses kleine Problem lösen werden. Fahren Sie einfach morgen weiter mit den Zahlungen wie vereinbart.«
    Li regte sich nicht im Geringsten auf über die unangenehme Situation. Im Gegenteil: er hörte sich an, als wäre der Tag zu seiner Zufriedenheit verlaufen. Das verstand Robert am allerwenigsten.
     

Broadgate, London, Stunde Drei      
     
    Der Operator im Untergeschoss der ›Global Trust Bank‹ am Broadgate legte den lauwarmen Pizzaschnitz in die Schachtel zurück. Die Augen starr auf den Bildschirm gerichtet, sog er erst einmal eine Weile an seiner Cola. Er glaubte nicht, was er sah und meinte, der rote Balken müsste wieder verschwinden. Stattdessen erschien gleich danach ein zweiter, dann ein dritter. Bevor er die Plastikflasche abgesetzt hatte, war die rechte Hälfte des Monitors rot. Und sie blieb rot. Erst vor zehn Minuten hatte er die letzten Backups der Nacht kontrolliert und archiviert. Nun wollte er in Ruhe das verpasste Frühstück nachholen und auf das verdiente Ende seiner Schicht warten. Warum mussten Katastrophen immer ihm passieren? Was hatte dieses verfluchte System gegen ihn?
    »Mel, sieh dir das an«, rief er, ohne den Bildschirm aus den Augen zu lassen.
    Melissa Webb stand von ihrem improvisierten Schreibtisch auf. Seit die IT die neue Überwachungs-Software eingezogen hatte, saß sie ständig bei ihren Leuten im Keller, obwohl sich ihr Arbeitsplatz in einem anständigen Büro oben bei den Menschen befand, mit Blick auf die Arena. Sie setzte die Lesebrille auf und studierte das schockierende Bild. »Heiliger Strohsack«, schnaubte sie. »Also doch.«
    »Was meinst du?«
    Sie schob die Brille wieder hoch und schaute ihn an wie einen Schüler, der nichts begriffen hat. »Ich wusste es.« Er glaubte, ihre Zähne knirschen zu hören. »Die neue Betriebsüberwachung ist Scheiße. Die haben das Zeug eingeführt, ohne es richtig zu testen. Jedes Mal dasselbe.«
    »Vielleicht stimmt ja die Anzeige«, warf er unsicher ein.
    »Was – der ganze SWIFT-Output soll seit einer Stunde hängen? Du glaubst an den Weihnachtsmann. Ich sage dir, die IT hat Scheiße gebaut, so sieht’s aus.« Sie griff zum nächsten Telefonhörer und drückte die Taste des Supports. Mit der Hand über dem Mikrofon wandte sie sich nochmals an ihn: »Schreib ein Ticket mit Priorität eins.«
    »Hast du mich endlich erhört?«, fragte Don in den Hörer, als er sah, wer ihn anrief. Am ersten Tag, als er hier auf der Insel das Büro des IT-Chefs bezogen hatte, war ihm die freche Mel aufgefallen. Er hatte die Hoffnung nie aufgegeben, sie doch noch eines Tages zu einem Dinner auszuführen. Ein bisschen Alkohol, und sie würde großzügig über seine Mängel hinwegsehen.
    Sie holte ihn sofort in die Wirklichkeit zurück. »Lass den Scheiß, Don. Ich habe Besseres zu tun, als mich mit verheirateten Männern einzulassen. Wir haben ein Problem. Ihr habt Scheiße gebaut.«
    Scheiße war eines ihrer Lieblingswörter, aber das hatte ihn bisher nicht im geringsten gestört. »Wie darf ich das verstehen, meine Teure?«, flötete er. Seine gute Stimmung verflog augenblicklich, während er ihr zuhörte. Er spürte, wie seine Halsschlagader anschwoll. Der Puls erhöhte sich und das Blut pochte in seinen Schläfen. Aus zwei Gründen, wie er sogleich deutlich machte: »Erstens will ich das mit der Scheiße nicht gehört haben. Unsere Software ist korrekt abgenommen worden. Vom Betrieb, wenn ich dich daran erinnern darf. Zweitens hat die Bank tatsächlich ein Riesenproblem, wenn der Output hängt. Ich kümmere mich sofort persönlich darum.«
    »Persönlich«, höhnte sie. »Wie gewissenhaft. Aber ein bisschen fix, wenn’s geht.«
    Don schmetterte den Hörer auf die Gabel und stürmte mit rotem Kopf ins Vorzimmer. »Glenys, ich brauche alle Gruppenleiter im Sitzungszimmer. SWIFT-Problem, jetzt sofort!«
    Die Krisensitzung stellte sich schnell als Stellvertretersitzung heraus. Acht der zwölf Gruppenchefs waren in der Mittagspause und nicht schnell genug aufzutreiben. Umso entschiedener glaubte er die Anwesenden unter Druck setzen zu müssen. Er fixierte den blassen Typen der SWIFT-Gruppe, der jeden Morgen

Weitere Kostenlose Bücher