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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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beobachten konnte. Die Bots brauchten zwar keinen Sichtkontakt, damit sie den Weg zum Smartphone zurück fanden, aber die Reichweite des Senders war beschränkt. Er hatte kein gutes Gefühl, so nah am Tor stehenzubleiben. »Fahr noch ein Stück weiter, um die nächste Kurve«, schlug er vor.
    Sie setzte ihre trotzige Miene auf und machte keine Anstalten, seinen Wunsch zu erfüllen. Mit diesem Gesicht war nicht vernünftig zu argumentieren. Er hatte schon die Hand am Türgriff, als der Wagen plötzlich mit einem rauen Ruck anfuhr.
    »Die Schlange!«, fauchte Alex böse.
    Er sah sie im Rückspiegel. Das misstrauische Weibsstück wollte tatsächlich Gewissheit, dass sie sich entfernten. Sie taten ihr den Gefallen, fuhren weiter und parkten hinter der nächsten Biegung. Er sprang sofort aus dem Wagen, rannte ein Stück zurück und spähte vorsichtig um die Kurve. Es war niemand mehr zu sehen. Er wartete eine Weile, bis er sicher war, dass ihnen niemand folgte, dann ging er zum Jeep zurück. Er steckte eines der billigen Walkie-Talkies ein, an die sie im letzten Moment gedacht hatten, kontrollierte das Display seines Handys und lächelte zufrieden. »Alles klar«, meinte er. »Am besten wendest du den Wagen und wartest hier, bis ich dich rufe. Es kann eine Weile dauern.«
    »Was du nicht sagst. Darauf wäre ich nie gekommen.«
    Sie hatte ihre garstige Stunde. Vielleicht war sie sauer, weil sie untätig warten musste, aber so hatten sie den Einsatz besprochen. Er ließ sie mit ihrem Groll allein und ging am Straßenrand zurück, soweit er konnte, ohne gesehen zu werden. Der Weg bot keinerlei Deckung außer den Kurven und Felsvorsprüngen. Wenn jetzt die Schlange oder der Bulle auftauchten, hätte er ein ernsthaftes Problem. Eng an den Fels gepresst, näherte er sich unbemerkt bis auf etwa zehn Schritte dem Tor. Weiter hinten wartete der Chauffeur rauchend neben der Limousine. Der Bulle patrouillierte gelangweilt hin und her wie ein Tiger in seinem Käfig, während die Schlange wie zur Salzsäule erstarrt kerzengerade vor der Metalltür wachte. Er setzte sich auf den harten Boden, lehnte an die Felswand und wartete.
     Bei der Limousine wurde kaum ein Wort gesprochen. Die Untätigkeit drohte ihn wieder einzuschläfern. Die schweren Augenlider fielen ihm zu. Nur mit Mühe gelang es ihm, wach zu bleiben. Er stand auf, um nicht wieder einzunicken.
    Plötzlich hörte er die verärgerte Stimme der Schlange. Der Bulle lachte, und sein Lachen war so nah, dass der Mann ihn im nächsten Augenblick entdecken musste. Starr vor Schreck presste er sich noch flacher an den Fels. Er hielt den Atem an. Er sah keinen Ausweg. Wie gelähmt wartete er auf sein Schicksal, aber kein Bulle erschien an der Biegung. Stattdessen rieselte ein Bächlein dem Fels entlang und bildete eine Pfütze vor seinen Füssen. Der Urin des Bullen berührte die Spitze seines Schuhs. Er wagte nicht, den Fuß zu bewegen, starrte auf das langsam versickernde Nass, als wäre es sein größtes Problem. Wieder die scharfe Stimme der Schlange. Gleichzeitig hörte er, wie sich das Tor öffnete. Schnelle Schritte entfernten sich, eine unbekannte Männerstimme redete mit Li. Höchste Zeit, den Sender zu aktivieren. Er berührte die Schaltfläche auf dem Touchscreen. Das schwache Funkfeuer für die Rückkehr der Fliegen zündete, wie das Display bestätigte. Weiter tat sich nichts. Der Motor der Limousine startete. Endlich wagte er sich weiter vor. Li stand mit einem Unbekannten vor dem Wagen. Sie gaben sich die Hand, dann stieg er ein. Ryans kleiner Sender hatte jetzt Sichtkontakt zum Ziel. Sofort änderte sich das Bild auf dem Display. Empfangsbestätigung! Beinahe hätte er das Wort laut ausgerufen. Die Wagentüren schlugen zu, die Limousine fuhr ab. Kaum hatte sich das Felsentor geschlossen, fiel einer der elektronischen Käfer wie tot auf die flache Hand mit dem Smartphone. Kurz danach stürzte die zweite Fliege ab. Beide Spione hatten ihren Auftrag erfüllt. Er steckte sie vorsichtig ein und griff zum Walkie-Talkie, brauchte jedoch nicht anzurufen. Der Jeep rollte bereits auf ihn zu.
    »Sag bloß, du hast mich die ganze Zeit beobachtet«, bemerkte er beim Einsteigen.
    »Nein, nur mitgehört. Ist schließlich mein Job.«
    Ein kalter Schauer lief ihm über den Rücken, als er sah, dass er sein Funkgerät während der ganzen Aktion nicht ausgeschaltet hatte. »Heiliges Kanonenrohr, wenn du ...«
    »Wenn ich angerufen hätte? Für wie blöd hältst du mich?«
    »Nicht so

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