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Im Westen geht die Sonne unter

Im Westen geht die Sonne unter

Titel: Im Westen geht die Sonne unter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: H Anderegg
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die CIA-Truppe bemerkt zu haben, die er Alex gegen ihren Willen als Rückendeckung aufgedrängt hatte. Von Triaden, Mafia, war die Rede, das einzige Stückchen Wahrheit in den Berichten der Zeitungen. Seine Spezialisten hatten zwar im Koffer keine Namen von Mafiabossen gefunden, aber der schlaue Mr. Li hatte Gespräche aufgezeichnet und genau protokolliert, aus denen klar hervorging, dass die Triaden hinter dem verheerenden Angriff auf das Finanzsystem steckten. Operation Sonnenuntergang nannten sie den Krieg, den sie anzettelten. Während Jahren hatten sie sich auf den Coup vorbereitet, die Chip-Produktion in Taiwan unterwandert, ihre Investitionen mit teuren Rohstoffen und Edelmetall abgesichert, bevor sie das Währungssystem in seinen Grundfesten erschütterten. Inzwischen sah die Welt anders aus. Das Vertrauen in den Dollar, das Pfund und den Euro sowieso war dahin. Die gigantische Umschichtung der Investitionen in aufstrebende Länder mit physischen Ressourcen, begehrten Rohstoffen wie Erdöl, Erdgas, Kupfer, Lithium, Seltene Erden, Gold und Platin war nicht mehr aufzuhalten. Für die traditionellen westlichen Industrieländer, inklusive Japan, die bis anhin die Weltwirtschaft beherrschten, sah die Zukunft düster aus. Für sie ging tatsächlich die Sonne unter. Durch die Lähmung des Zahlungsverkehrs lag zudem das Kreditwesen am Boden, symbolisiert durch die ersten Flugzeuge großer Airlines, die am Boden blieben, weil das Geld fürs Kerosin fehlte. Die ersten Dominosteine waren gefallen, die Kettenreaktion nicht mehr aufzuhalten.
    »Eine einzige gottverdammte Scheiße ist das«, fluchte er laut. Als ob die Welt nicht schon schlecht genug wäre ohne Alex. Schuldgefühle plagten ihn. Auch wenn sein Bericht etwas anderes behauptete: Er wusste, dass letztlich die Kugel des CIA-Scharfschützen Alex in den Tod gerissen hatte. Ausgerechnet die Truppe, die er zu ihrem Schutz angefordert hatte. So etwas steckte auch ein Bob Wilson nicht einfach weg.
    Es klopfte. Einer der Analysten, die den Koffer auswerteten, wollte ihn sprechen. »Mach’s kurz, ich bin auf dem Sprung.«
    »Ich weiß, schlimme Geschichte.«
    Der Analyst legte ihm den Ausdruck der neusten SWIFT-Statistik hin. Die Warteschlangen im Netz bauten sich allmählich ab. Der Knoten im Meldungsverkehr begann sich aufzulösen, seit die Router in den SWIFT-Rechenzentren wieder mit den alten Boards liefen. »Sieht ja schon besser aus«, murmelte Bob.
    »Die technische Krise scheint bald überwunden«, nickte der Analyst. »Die Finanzkrise allerdings hat erst begonnen.«
    »Fürchte ich auch. Unglaublich, selbst die Chipküche auf Taiwan wird überleben, nach dem eleganten Herzstillstand des CEO neulich. Man schiebt die Verantwortung für das ganze Debakel auf ihn, Dr. Chen und den Produktionsleiter, und die sind alle tot – praktisch. Akte geschlossen.« Li und seine Kumpane würden auch überleben. Macao, das chinesische Festland und hundert andere Orte auf dem Planeten waren sichere Häfen, und es gab keine legale Möglichkeit, ihr Vermögen in der Schweiz zu beschlagnahmen. Es war einfach zum Kotzen. Angewidert fragte er: »Neuigkeiten von der Zürcher Bank? Geben sie wenigstens zu, die codierten Meldungen ausgelöst zu haben?«
    Der Analyst schüttelte den Kopf. »Keine Spur. Die wissen von nichts, und sie geben keine Auskunft über ihren Zahlungsverkehr. Bankgeheimnis. Wir könnten ihnen nachweisen, dass ihre SWIFT-Meldungen das Desaster ausgelöst haben, aber das lassen wir lieber bleiben. Offiziell dürfen wir diesen SWIFT-Verkehr nicht überwachen.«
    »So ist es«, lachte Bob bitter.
    »Da ist noch etwas.«
    Er horchte auf. »Ist Li ins Netz gegangen?«
    »Schön wär’s. Li ist untergetaucht nach dem internationalen Haftbefehl.«
    »Er wird sich in seiner Heimat auf den Alterssitz zurückziehen.«
    »Sieht nicht so aus. Das wollte ich noch loswerden. Der britische Inlandgeheimdienst hat heute Nacht in Manchester eine Wohnung ausgehoben. Sie haben zwar niemanden erwischt, aber jede Menge Spuren gesichert. Unter anderem die gleichen Fingerabdrücke, wie wir sie auf den Notizzetteln gefunden haben, die uns der Engländer überlassen hat.«
    Es war nicht schwer, sich vorzustellen, was das bedeutete. »Eine gottverdammte Scheiße ist das. Sag ich doch«, brummte Bob müde. »Sollen sich die Kollegen vom MI5 damit herumschlagen.«
     
    Weymouth, Dorset, UK, Vierter Advent
     
    Benommen tastete Ryan nach dem Radiowecker und schaltete ihn aus. »Was quasselt

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