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Im Westen Nichts Neues

Im Westen Nichts Neues

Titel: Im Westen Nichts Neues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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sehen, daß ich Leutnant würde. Dann kannst du ihn schleifen, daß ihm das Wasser im Hintern kocht.«
    »Und du, Detering?« forscht Müller weiter. Er ist der geborene Schulmeister mit seiner Fragerei.
    Detering ist wortkarg. Aber auf dieses Thema gibt er Antwort. Er sieht in die Luft und sagt nur einen Satz: »Ich würde gerade noch zur Ernte zurechtkommen.« Damit steht er auf und geht weg.
    Er macht sich Sorgen. Seine Frau muß den Hof bewirtschaften. Dabei haben sie ihm noch zwei Pferde weggeholt. Jeden Tag liest er die Zeitungen, die kommen, ob es in seiner oldenburgischen Ecke auch nicht regnet. Sie bringen das Heu sonst nicht fort.
    In diesem Augenblick erscheint Himmelstoß. Er kommt direkt auf unsere Gruppe zu. Tjadens Gesicht wird fleckig. Er legt sich längelang ins Gras und schließt die Augen vor Aufregung.
    Himmelstoß ist etwas unschlüssig, sein Gang wird langsamer. Dann marschiert er dennoch zu uns heran. Niemand macht Miene, sich zu erheben. Kropp sieht ihm interessiert entgegen.
    Er steht jetzt vor uns und wartet. Da keiner etwas sagt, läßt er ein »Na?« vom Stapel.
    Ein paar Sekunden verstreichen; Himmelstoß weiß sichtlich nicht, wie er sich benehmen soll. Am liebsten möchte er uns jetzt im Galopp schleifen. Immerhin scheint er schon gelernt zu haben, daß die Front kein Kasernenhof ist. Er versucht es abermals und wendet sich nicht mehr an alle, sondern an einen, er hofft, so leichter Antwort zu erhalten. Kropp ist ihm am nächsten. Ihn beehrt er deshalb. »Na, auch hier?«
    Aber Albert ist sein Freund nicht. Er antwortet knapp: »Bißchen länger als Sie, denke ich.«
    Der rötliche Schnurrbart zittert. »Ihr kennt mich wohl nicht mehr, was?«
    Tjaden schlägt jetzt die Augen auf. »Doch.«
    Himmelstoß wendet sich ihm zu: »Das ist doch Tjaden, nicht?«
    Tjaden hebt den Kopf.
    »Und weißt du, was du bist?«
    Himmelstoß ist verblüfft. »Seit wann duzen wir uns denn? Wir haben doch nicht zusammen im Chausseegraben gelegen.«
    Er weiß absolut nichts aus der Situation zu machen. Diese offene Feindseligkeit hat er nicht erwartet. Aber er hütet sich vorläufig; sicher hat ihm jemand den Unsinn von Schüssen in den Rücken vorgeschwätzt.
    Tjaden wird auf die Frage nach dem Chausseegraben vor Wut sogar witzig.
    »Nee, das warst du alleine.«
    Jetzt kocht Himmelstoß auch. Tjaden kommt ihm jedoch eilig zuvor. Er muß seinen Spruch loswerden. »Was du bist, willst du wissen? Du bist ein Sauhund, das bist du! Das wollt’ ich dir schon lange mal sagen.« Die Genugtuung vieler Monate leuchtet ihm aus den blanken Schweinsaugen, als er den Sauhund hinausschmettert.
    Auch Himmelstoß ist nun entfesselt: »Was willst du Mistköter, du dreckiger Torfdeubel? Stehen Sie auf, Knochen zusammen, wenn ein Vorgesetzter mit Ihnen spricht!«
    Tjaden winkt großartig. »Sie können rühren, Himmelstoß. Wegtreten.«
    Himmelstoß ist ein tobendes Exerzierreglement. Der Kaiser könnte nicht beleidigter sein. Er heult: »Tjaden, ich befehle Ihnen dienstlich: Stehen Sie auf!«
    »Sonst noch was?« fragt Tjaden.
    »Wollen Sie meinem Befehl Folge leisten oder nicht?«
    Tjaden erwidert gelassen und abschließend, ohne es zu wissen, mit dem bekanntesten Klassikerzitat. Gleichzeitig lüftet er seine Kehrseite.
    Himmelstoß stürmt davon: »Sie kommen vors Kriegsgericht!«
    Wir sehen ihn in der Richtung zur Schreibstube verschwinden.
    Haie und Tjaden sind ein gewaltiges Torfstechergebrüll. Haie lacht so, daß er sich die Kinnlade ausrenkt und mit offenem Maul plötzlich hilflos dasteht. Albert muß sie ihm mit einem Faustschlag erst wieder einsetzen.
    Kat ist besorgt. »Wenn er dich meldet, wird’s böse.« »Meinst du, daß er es tut?« fragt Tjaden. »Bestimmt«, sage ich.
    »Das mindeste, was du kriegst, sind fünf Tage Dicken«, erklärt Kat.
    Das erschüttert Tjaden nicht. »Fünf Tage Kahn sind fünf Tage Ruhe.«
    »Und wenn du auf Festung kommst?« forscht der gründlichere Müller.
    »Dann ist der Krieg für mich so lange aus.«
    Tjaden ist ein Sonntagskind. Für ihn gibt es keine Sorgen. Mit Haie und Leer zieht er ab, damit man ihn nicht in der ersten Aufregung findet.
    *
    Müller ist noch immer nicht zu Ende. Er nimmt sich wieder Kropp vor. »Albert, wenn du nun tatsächlich nach Hause kämst, was würdest du machen?«
    Kropp ist jetzt satt und deshalb nachgiebiger. »Wieviel Mann wären wir dann eigentlich in der Klasse?« Wir rechnen: von zwanzig sind sieben tot, vier verwundet, einer in der

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