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Im Westen Nichts Neues

Im Westen Nichts Neues

Titel: Im Westen Nichts Neues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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ist mehr eine Art Fieber«, sagt Albert. »Keiner will es eigentlich, und mit einem Male ist es da. Wir haben den Krieg nicht gewollt, die andern behaupten dasselbe – und trotzdem ist die halbe Welt feste dabei.«
    »Drüben wird aber mehr gelogen als bei uns«, erwidere ich, »denkt mal an die Flugblätter der Gefangenen, in denen stand, daß wir belgische Kinder fräßen. Die Kerle, die so was schreiben, sollten sie aufhängen. Das sind die wahren Schuldigen.«
    Müller steht auf. »Besser auf jeden Fall, der Krieg ist hier als in Deutschland. Seht euch mal die Trichterfelder an!« »Das stimmt«, pflichtet selbst Tjaden bei, »aber noch besser ist gar kein Krieg.«
    Er geht stolz davon, denn er hat es uns Einjährigen nun mal gegeben. Und seine Meinung ist tatsächlich typisch hier, man begegnet ihr immer wieder und kann auch nichts Rechtes darauf entgegnen, weil mit ihr gleichzeitig das Verständnis für andere Zusammenhänge aufhört. Das Nationalgefühl des Muskoten besteht darin, daß er hier ist. Aber damit ist es auch zu Ende, alles andere beurteilt er praktisch und aus seiner Einstellung heraus.
    Albert legt sich ärgerlich ins Gras. »Besser ist, über den ganzen Kram nicht zu reden.«
    »Wird ja auch nicht anders dadurch«, bestätigt Kat.
    Zum Überfluß müssen wir die neu empfangenen Sachen fast alle wieder abgeben und erhalten unsere alten Brocken wieder. Die guten waren nur zur Parade da.
    *
    Statt nach Rußland gehen wir wieder an die Front. Unterwegs kommen wir durch einen kläglichen Wald mit zerrissenen Stämmen und zerpflügtem Boden. An einigen Stellen sind furchtbare Löcher. »Donnerwetter, da hat es aber eingehauen«, sage ich zu Kat.
    »Minenwerfer«, antwortet er und zeigt dann nach oben. In den Ästen hängen Tote. Ein nackter Soldat hockt in einer Stammgabelung, er hat seinen Helm noch auf dem Kopf, sonst ist er unbekleidet. Nur eine Hälfte sitzt von ihm dort oben, ein Oberkörper, dem die Beine fehlen.
    »Was ist da los gewesen?« frage ich.
    »Den haben sie aus dem Anzug gestoßen«, knurrt Tjaden.
    Kat sagt: »Es ist komisch, wir haben das nun schon ein paarmal gesehen. Wenn so eine Mine einwichst, wird man tatsächlich richtig aus dem Anzug gestoßen. Das macht der Luftdruck.«
    Ich suche weiter. Es ist wirklich so. Dort hängen Uniformfetzen allein, anderswo klebt blutiger Brei, der einmal menschliche Glieder war. Ein Körper liegt da, der nur an einem Bein noch ein Stück Unterhose und um den Hals den Kragen des Waffenrockes hat. Sonst ist er nackt, der Anzug hängt im Baum herum. Beide Arme fehlen, als wären sie herausgedreht. Einen davon entdecke ich zwanzig Schritt weiter im Gebüsch.
    Der Tote liegt auf dem Gesicht. Da, wo die Armwunden sind, ist die Erde schwarz von Blut. Unter den Füßen ist das Laub zerkratzt, als hätte der Mann noch gestrampelt.
    »Kein Spaß, Kat«, sage ich.
    »Ein Granatsplitter im Bauch auch nicht«, antwortet er achselzuckend.
    »Nur nicht weich werden«, meint Tjaden.
    Das Ganze kann nicht lange her sein, das Blut ist noch frisch. Da alle Leute, die wir sehen, tot sind, lassen wir uns nicht aufhalten, sondern melden die Sache bei der nächsten Sanitätsstation. Schließlich ist es ja auch nicht unsere Angelegenheit, diesen Tragbahrenhengsten die Arbeit abzunehmen.
    *
    Es soll eine Patrouille ausgeschickt werden, um festzustellen, wie weit die feindliche Stellung noch besetzt ist. Ich habe wegen meines Urlaubs irgendein sonderbares Gefühl den andern gegenüber und melde mich deshalb mit. Wir verabreden den Plan, schleichen durch den Draht und trennen uns dann, um einzeln vorzukriechen. Nach einer Weile finde ich einen flachen Trichter, in den ich mich hineingleiten lasse. Von hier luge ich aus.
    Das Gelände hat mittleres Maschinengewehrfeuer. Es wird von allen Seiten bestrichen, nicht sehr stark, aber immerhin genügend, um die Knochen nicht allzu hoch zu nehmen.
    Ein Leuchtschirm entfaltet sich. Das Terrain liegt erstarrt im fahlen Lichte da. Um so schwärzer schlägt hinterher die Dunkelheit wieder darüber zusammen. Im Graben haben sie vorhin erzählt, es wären Schwarze vor uns. Das ist unangenehm, man kann sie schlecht sehen, außerdem sind sie als Patrouillen sehr geschickt. Sonderbarerweise sind sie oft ebenso unvernünftig; – sowohl Kat als auch Kropp haben einmal auf Patrouille eine schwarze Gegenpatrouille erschossen, weil die Leute in ihrer Gier nach Zigaretten unterwegs rauchten. Kat und Albert brauchten nur die glimmenden

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