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Im Westen Nichts Neues

Im Westen Nichts Neues

Titel: Im Westen Nichts Neues Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Maria Remarque
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Zigarettenköpfe als Ziel zu visieren.
    Neben mir zischt eine kleine Granate ein. Ich habe sie nicht kommen gehört und erschrecke heftig. Im gleichen Augenblick faßt mich eine sinnlose Angst. Ich bin hier allein und fast hilflos im Dunkeln – vielleicht beobachten mich längst aus einem Trichter hervor zwei andere Augen, und eine Handgranate liegt wurffertig bereit, mich zu zerreißen. Ich versuche mich aufzuraffen. Es ist nicht meine erste Patrouille und auch keine besonders gefährliche. Aber es ist meine erste nach dem Urlaub, und außerdem ist das Gelände mir noch ziemlich fremd.
    Ich mache mir klar, daß meine Aufregung Unsinn ist, daß im Dunkel wahrscheinlich gar nichts lauert, weil sonst nicht so flach geschossen würde.
    Es ist vergeblich. In wirrem Durcheinander summen mir die Gedanken im Schädel – ich höre die warnende Stimme meiner Mutter, ich sehe die Russen mit den wehenden Bärten am Gitter lehnen, ich habe die helle, wunderbare Vorstellung einer Kantine mit Sesseln, eines Kinos in Valenciennes, ich sehe quälend, scheußlich in meiner Einbildung eine graue gefühllose Gewehrmündung, die lauernd lautlos mitgeht, wie ich auch den Kopf zu wenden versuche: mir bricht der Schweiß aus allen Poren.
    Immer noch liege ich in meiner Mulde. Ich sehe auf die Uhr; es sind erst wenige Minuten vergangen. Meine Stirn ist naß, meine Augenhöhlen sind feucht, die Hände zittern, und ich keuche leise. Es ist nichts anderes als ein furchtbarer Angstanfall, eine einfach gemeine Hundeangst davor, den Kopf herauszustrecken und weiterzukriechen.
    Wie ein Brei zerquillt meine Anspannung zu dem Wunsch, liegenbleiben zu können. Meine Glieder kleben am Boden, ich mache einen vergeblichen Versuch – sie wollen sich nicht lösen. Ich presse mich an die Erde, ich kann nicht vorwärts, ich fasse den Entschluß, liegenzubleiben.
    Aber sofort überspült mich die Welle erneut, eine Welle aus Scham, Reue und doch auch Geborgenheit. Ich erhebe mich ein wenig, um Ausschau zu halten. Meine Augen brennen, so starre ich in das Dunkel. Eine Leuchtkugel geht hoch; – ich ducke mich wieder.
    Ich kämpfe einen sinnlosen, wirren Kampf, ich will aus der Mulde heraus und rutsche doch wieder hinein, ich sage, »du mußt, es sind deine Kameraden, es ist ja nicht irgendein dummer Befehl«, – und gleich darauf: »Was geht es mich an, ich habe nur ein Leben zu verlieren –«
    Das macht alles dieser Urlaub, entschuldige ich mich erbittert. Aber ich glaube es selbst nicht, mir wird entsetzlich flau, ich erhebe mich langsam und stemme die Arme vor, ziehe den Rücken nach und liege jetzt halb auf dem Rande des Trichters.
    Da vernehme ich Geräusche und zucke zurück. Man hört trotz des Artillerielärms verdächtige Geräusche. Ich lausche – das Geräusch ist hinter mir. Es sind Leute von uns, die durch den Graben gehen. Nun höre ich auch gedämpfte Stimmen. Es könnte dem Tone nach Kat sein, der da spricht.
    Eine ungemeine Wärme durchflutet mich mit einemmal. Diese Stimmen, diese wenigen, leisen Worte, diese Schritte im Graben hinter mir reißen mich mit einem Ruck aus der fürchterlichen Vereinsamung der Todesangst, der ich beinahe verfallen wäre. Sie sind mehr als mein Leben, diese Stimmen, sie sind mehr als Mütterlichkeit und Angst, sie sind das Stärkste und Schützendste, was es überhaupt gibt: es sind die Stimmen meiner Kameraden. Ich bin nicht mehr ein zitterndes Stück Dasein allein im Dunkel – ich gehöre zu ihnen und sie zu mir, wir haben alle die gleiche Angst und das gleiche Leben, wir sind verbunden auf eine einfache und schwere Art. Ich möchte mein Gesicht in sie hineindrücken, in die Stimmen, diese paar Worte, die mich gerettet haben und die mir beistehen werden.
    *
    Vorsichtig gleite ich über den Rand und schlängele mich vorwärts. Auf allen vieren schlurfe ich weiter; es geht gut, ich peile die Richtung an, schaue mich um und merke mir das Bild des Geschützfeuers, um zurückzufinden. Dann suche ich Anschluß an die andern zu bekommen.
    Immer noch habe ich Angst, aber es ist eine vernünftige Angst, eine außerordentlich gesteigerte Vorsicht. Die Nacht ist windig, und Schatten gehen hin und her beim Aufflackern des Mündungsfeuers. Man sieht dadurch zu wenig und zu viel. Oft erstarre ich, aber es ist immer nichts. So komme ich ziemlich weit vor und kehre dann im Bogen wieder um. Den Anschluß habe ich nicht gefunden. Jeder Meter näher zu unserm Graben erfüllt mich mit Zuversicht – allerdings auch mit

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