Im Westen Nichts Neues
größerer Hast. Es wäre nicht schön, jetzt noch eins verpaßt zu kriegen.
Da durchfährt mich ein neuer Schreck. Ich kann die Richtung nicht mehr genau wiedererkennen. Still hocke ich mich in einen Trichter und versuche mich zu orientieren. Es ist mehr als einmal vorgekommen, daß jemand vergnügt in einen Graben sprang und dann erst entdeckte, daß es der falsche war.
Nach einiger Zeit horche ich wieder. Immer noch bin ich nicht richtig. Das Trichtergewirr erscheint mir jetzt so unübersichtlich, daß ich vor Aufregung überhaupt nicht mehr weiß, wohin ich mich wenden soll. Vielleicht krieche ich parallel zu den Gräben, das kann ja endlos dauern. Deshalb schlage ich wieder einen Haken.
Diese verfluchten Leuchtschirme! Sie scheinen eine Stunde zu brennen, man kann keine Bewegung machen, ohne daß es gleich um einen herum pfeift.
Doch es hilft nichts, ich muß heraus. Stockend arbeite ich mich weiter, ich krebse über den Boden weg und reiße mir die Hände wund an den zackigen Splittern, die scharf wie Rasiermesser sind. Manchmal habe ich den Eindruck, als wenn der Himmel etwas heller würde am Horizont, doch das kann auch Einbildung sein. Allmählich aber merke ich, daß ich um mein Leben krieche.
Eine Granate knallt. Gleich darauf zwei andere. Und schon geht es los. Ein Feuerüberfall. Maschinengewehre knattern. Jetzt gibt es vorläufig nichts anderes, als liegenzubleiben. Es scheint ein Angriff zu werden. Überall steigen Leuchtraketen. Ununterbrochen.
Ich liege gekrümmt in einem großen Trichter, die Beine im Wasser bis zum Bauch. Wenn der Angriff einsetzt, werde ich mich ins Wasser fallen lassen, so weit es geht, ohne zu ersticken, das Gesicht im Dreck. Ich muß den toten Mann markieren.
Plötzlich höre ich, wie das Feuer zurückspringt. Sofort rutsche ich nach unten ins Grundwasser, den Helm ganz im Genick, den Mund nur so weit hoch, daß ich knapp Luft habe.
Dann werde ich bewegungslos; – denn irgendwo klirrt etwas, es tappt und trappst näher, – in mir ziehen sich alle Nerven eisig zusammen. Es klirrt über mich hinweg, der erste Trupp ist vorbei. Ich habe nur den einen zersprengenden Gedanken gehabt: Was tust du, wenn jemand in deinen Trichter springt? – Jetzt zerre ich rasch den kleinen Dolch heraus, fasse ihn fest und verberge ihn mit der Hand wieder im Schlamm. Ich werde sofort losstechen, wenn jemand hereinspringt, hämmert es in meiner Stirn, sofort die Kehle durchstoßen, damit er nicht schreien kann, es geht nicht anders, er wird ebenso erschrocken sein wie ich, und schon vor Angst werden wir übereinander herfallen, da muß ich der erste sein.
Nun schießen unsere Batterien. In meiner Nähe schlägt es ein. Das macht mich irrsinnig wild, es fehlt mir noch, daß mich die eigenen Geschosse treffen; ich fluche und knirsche in den Dreck hinein; es ist ein wütender Ausbruch, zuletzt kann ich nur noch stöhnen und bitten. Das Gekrach der Granaten trifft mein Ohr. Wenn unsere Leute einen Gegenstoß machen, bin ich befreit. Ich presse den Kopf an die Erde und höre das dumpfe Donnern wie ferne Bergwerksexplosionen – und hebe ihn wieder, um auf die Geräusche oben zu lauschen.
Die Maschinengewehre knarren. Ich weiß, daß unsere Drahtverhaue fest und fast unbeschädigt sind; – ein Teil davon ist mit Starkstrom geladen. Das Gewehrfeuer schwillt an. Sie kommen nicht durch, sie müssen zurück. Ich sinke wieder zusammen, gespannt bis zum Äußersten. Das Klappern und Schleichen, das Klirren wird hörbar. Ein einzelner Schrei gellend dazwischen. Sie werden beschossen, der Angriff ist abgeschlagen.
*
Es ist noch etwas heller geworden. An mir vorüber hasten Schritte. Die ersten. Vorbei. Wieder andere. Das Knarren der Maschinengewehre wird eine ununterbrochene Kette. Gerade will ich mich etwas umdrehen, da poltert es, und schwer und klatschend fällt ein Körper zu mir in den Trichter, rutscht ab, liegt auf mir – Ich denke nichts, ich fasse keinen Entschluß – ich stoße rasend zu und fühle nur, wie der Körper zuckt und dann weich wird und zusammensackt. Meine Hand ist klebrig und naß, als ich zu mir komme.
Der andere röchelt. Es scheint mir, als ob er brüllt, jeder Atemzug ist wie ein Schrei, ein Donnern – aber es sind nur meine Adern, die so klopfen. Ich möchte ihm den Mund zuhalten, Erde hineinstopfen, noch einmal zustechen, er soll still sein, er verrät mich; doch ich bin schon so weit zu mir gekommen und auch so schwach plötzlich, daß ich nicht mehr die Hand gegen
Weitere Kostenlose Bücher