Im Winter der Löwen
Polizisten, oder?«
»Ja, ja«, sagte Sundström.
»Dann kennen Sie das ja. Wir können die da drinnen sehen, aber sie nicht uns.«
»Verstehe«, sagte Sundström. Verstehe, dachte er. Der imaginäre Richter begutachtet den imaginären Angeklagten. Das Publikum begutachtet beide. Der Mann im Drehstuhl begutachtet alle. »Aha«, sagte er, und Tuula Palonen schrie ihren Mitarbeiter am anderen Ende der Leitung an und sagte, sie werde jetzt Kai anrufen und ihm mitteilen, dass Niskanen gestorben sei.
»Im übertragenen Sinn«, sagte sie, als sie Sundströms Blick auffing. Sie wählte und wartete und atmete tief ein und aus und Hämäläinen schien nicht abzunehmen.
Durch Lautsprecher tönte blechern die Stimme des Richters, der einem Einspruch stattgab. Die Zeugin sprach leise und mit zitternder Stimme. Das Publikum wirkte gebannt und konzentriert.
»Das ist das Studio«, sagte Tuula Palonen und riss Sundström aus diffusen Gedanken.
»Ja«, sagte er.
»Es wird ähnlich aufgebaut sein. Wo jetzt der Richter sitzt, wird Kais Schreibtisch stehen, von uns aus gesehen rechts daneben sitzen die Gäste. Das Publikum sitzt genau da, wo es jetzt sitzt.«
»Ja.«
»Falls das irgendwie wichtig für Sie sein sollte.«
»Ja, ja. Danke. Wo kommt das Publikum rein?«
»Da hinten. Die Tür rechts führt direkt in die Eingangshalle. Das Publikum kommt durch den Haupteingang und wird dann durch die Halle und die Cafeteria zum Studio geleitet.«
»Ah ja. Wir werden die Leute kontrollieren müssen.«
»Wie bitte?«
»Wir werden die Leute kontrollieren müssen«, sagte Sundström. »Abtasten auf Waffen.«
»Das ist ja … interessant«, sagte Tuula Palonen.
»Kein großer Aufwand. Wie viele Leute fasst das Studio?«
»Das ist ja interessant«, sagte Tuula Palonen. »Darüber müssen wir aber doch was Kleines drehen. Das geht einfach nicht, dass wir das nicht kurz thematisieren. Am Anfang«, sagte sie.
»Können Sie machen«, sagte Sundström. »Wie viele Menschen fasst das Studio?«
»Etwa 250. Viel Prominenz. Sponsorenkarten. Geladene Gäste. Die Plätze für die Sendung sind seit mindestens einem halben Jahr ausverkauft. Insofern muss man sich eigentlich … keine Sorgen machen.«
Sundström nickte. Wunderbar, dachte er. Eine Sorge weniger. Die Personenkontrollen würde er dennoch anordnen.
»Ist denn Kai wirklich … in Gefahr?«, fragte Tuula Palonen.
Sundström sah sie an und dachte darüber nach, wie man eine derart dümmliche Frage stellen konnte.
»Nicht, wenn wir auf alles vorbereitet sind«, sagte er.
Die blecherne Stimme des Richters sprach von einer letzten Chance und einer Bewährungsstrafe. Tuula Palonens Handy spielte eine Sinfonie.
»Das wird ja die Hammersendung mit Kai-Petteri morgen«, sagte der Mann im Drehstuhl und gähnte.
50
Am Nachmittag sitzt sie im Büro des Anwalts. Die Sekretärin bringt einen schwarzen Kaffee, und der alte, kleine Mann sitzt hinter dem dunkelbraunen Schreibtisch, der den Raum dominiert, und sagt, dass die Chancen schlecht stehen.
»Es gibt also nichts Neues«, sagt sie.
»Nein. Leider.«
Sie nickt.
»Der Inhaber der Firma, die die Renovierung durchgeführt hat, ist weiterhin nicht auffindbar.«
Sie nickt.
»Das Verfahren gegen Angestellte der Stadt steht vor der Einstellung.«
Sie nickt.
»Es gibt nach wie vor die Möglichkeit, ein Schmerzensgeld zu erwirken«, sagt er.
Sie nickt.
»Es ist … eine Frage des Taktierens und des … richtigen Zeitpunkts.«
Sie nickt.
»Ich weiß, dass es nicht das ist, was Sie wollen.«
Sie sieht ihn an und erinnert sich an Tage, an denen der Anwalt jünger war und nervöser und ängstlicher und zuversichtlicher. Tage, an denen Veikko noch nicht gelebt und an denen sie Ilmari noch nicht gekannt hat. Der Schnee ist geschmolzen, und die Pflanzen beginnen zu blühen. Sie sieht den Frühling hinter dem Fenster, liegt auf dem Bett und hat die Tür ihres Zimmers einen Spalt breit geöffnet, um zu hören, was sie sagen. Der Anwalt und ihre Eltern. Der Anwalt bemüht sich, ruhig zu sprechen, ihre Eltern schreien sich an. Der Anwalt legt ihnen nah, alles noch einmal und dann noch einmal zu überdenken, und ihr Vater lacht und sagt, er habe den falschen Beruf gewählt und sei sich offensichtlich gar nicht darüber im Klaren, worin hier seine Aufgabe bestehe.
Einige Wochen später ist sie mit ihrer Mutter in die Wohnung in Paimio gezogen und hat ihren Vater noch dreimal wiedergesehen, an Geburtstagen. Beim letzten vergisst er das
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