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Im Winter der Löwen

Titel: Im Winter der Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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sagt er.
    Sie wendet den Blick von der Straße ab und sieht ihn an.
    »Ich finde es beeindruckend, dass Sie … darüber sprechen werden«, sagt er.
    Sprechen, denkt sie.
    Wer begreift es, wenn nicht sie.
    Die Hotel-Lobby ist golden beleuchtet. Ein Page nimmt die Tasche, und der junge Mann sagt zu der Dame am Empfang: »Salme Salonen. Die Reservierung gehört zu dem großen Paket der Talkshow Hämäläi­ nen .«
    »Willkommen, Frau Salonen«, sagt die Frau vom Hotel lächelnd, und Olli Latvala drückt fest und lange ihre Hand, bevor er durch die breite Schwingtür ins Dunkel hastet.
    »Darf ich vorangehen?«, fragt der Page.
    Sie nickt und folgt ihm zu den Aufzügen.
53
    Grönholm hielt den Blick über die Liste gesenkt, als er den Raum verließ, und Heinonen wedelte damit und wirkte entspannt. Gewonnen, dachte Joentaa. Vermutlich eine Riesenquote. Er musste mit Paulina sprechen.
    Er rief Sundström in Helsinki an, der aufgekratzt wirkte, ihm sagte, er solle tun und lassen, was immer er wolle und das gute alte Paavo-Sundström-Lachen lachte, das gleichzeitig bedrohlich und ansteckend klang.
    Wenigstens Sundström ist auf dem Weg der Besserung, dachte Joentaa, als er auflegte.
    Den Rest des Tages verbrachte er damit, die Namen abzuarbeiten, die er sich selbst zugeteilt hatte. Neben Raisa Lagerblom ein Ehepaar aus Salo, dessen Tochter bei dem Brand in der Geisterbahn ums Leben gekommen war. Erkki und Mathilda Koivikko. Er betrachtete die Jahreszahl und dachte, dass es zu lange zurücklag. 1993. Zu viel Zeit zu begreifen, einzuordnen, zu vergessen, zu verdrängen. Er hatte ein näher zurückliegendes Ereignis vor Augen gehabt, als der Gedanke zuerst gekommen war.
    Er fuhr dennoch nach Salo, denn eine Anmerkung in Päivis Recherchenotizen war ihm wichtig erschienen.
    Auf dem großen Marktplatz von Salo, auf dem im Herbst 1993 ein Vergnügungspark mit einer Geisterbahn gestanden hatte, saßen Menschen fröstelnd auf Bänken und sahen den Schlittschuhläufern auf dem Fluss dabei zu, wie sie hinfielen und wieder aufstanden.
    Erkki und Mathilda Koivikko lebten in einem roten Haus, das nur etwa hundert Meter vom Marktplatz entfernt stand. Am Briefkasten stand der Name. Koivikko. Aus den Unterlagen von Päivi Holmquist ging nicht hervor, ob sie schon 1993 hier gelebt hatten. Vermutlich. Er stand eine Weile unschlüssig vor dem Haus und stellte sich vor, dass Erkki und Mathilda Koivikko die brennende Geisterbahn durchs Fenster ihres Hauses gesehen hatten.
    Er wandte sich ab und ging über den Marktplatz und über die Brücke. Die Somerobank war im unteren Geschoss eines großen, neu aussehenden Einkaufszentrums untergebracht. Bunte Plakate mit glücklichen Menschen versprachen hohe Zinsen und ein sicheres, geborgenes Leben. Hinter einem Empfangstresen saß eine junge Frau, die ihn aufmunternd anlächelte, als er sich näherte.
    »Mein Name ist Joentaa, von der Polizei in Turku«, sagte er. »Ich möchte mit Erkki Koivikko sprechen.«
    Er zeigte ihr seinen Ausweis, den sie eine Weile ansah. Sie schien noch etwas sagen zu wollen, hielt dann aber inne.
    »Ist er da?«, fragte Joentaa.
    »Ja. Natürlich. Kommen Sie.«
    Sie ging voran, durch eine Trenntür in den hinteren Bereich der Filiale, vorbei an Männern und Frauen, die telefonierten oder konzentriert auf Bildschirme starrten. Erkki Koivikko verfügte im Gegenstaz zu den meisten Mitarbeitern über ein eigenes Büro. Die Frau klopfte an und wartete auf den Einlassruf, der nach einigen Sekunden gedämpft durch die Tür drang. Sie öffnete. Hinter einem hellbraunen Schreibtisch saß ein kräftig wirkender Mann. Er trug einen dunklen Anzug und eine auffällig bunte Krawatte und war in ein Telefongespräch vertieft. Er sprach noch einige Zeit weiter, bevor er sich der Frau zuwandte, die neben Joentaa wartend auf der Schwelle stand.
    »Was ist denn?«, fragte er.
    »Das ist … ein Herr von der Polizei …«, sagte die Frau.
    Koivikko saß reglos.
    »Es wird nicht lange dauern«, sagte Joentaa. »Ja …«, sagte Koivikko. »Ja … danke, Sonja. Wir kommen zurecht.«
    Die Frau nickte und ging. Joentaa trat ein und schloss die Tür.
    »Polizei«, sagte Koivikko.
    »Es ist nichts, was Sie beunruhigen müsste«, sagte Joentaa. Er trat näher und reichte auch Koivikko seinen Ausweis. Er hatte sein Kommen bewusst nicht angekündigt. Er quälte den Mann, dem vor fünfzehn Jahren vermutlich ein Polizist die Nachricht vom Tod seiner Tochter überbracht hatte. Er fühlte ein Stechen im

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