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Im Winter der Löwen

Titel: Im Winter der Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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der Messerstiche deutete auf einen normal großen Täter hin, diese Schuhgröße würde jetzt an einen Jugendlichen denken lassen oder …«
    »Oder an eine Frau?«, sagte Grönholm.
    »Wobei die Stiche Salomons Analyse zufolge mit beträchtlicher Kraft ausgeführt wurden«, sagte Niemi.
    Joentaa nickte. Ungebremste, unkontrollierte Wut. Gepaart mit Konzentration und Geduld.
    Ein Schatten, hatte Hämäläinen gesagt.
    Aus dem Telefon, das auf dem Tisch lag, drang leise eine Stimme. Joentaa nahm es. »Hallo?«, fragte er.
    »Tut mir leid, ich kann in der Redaktion momentan niemanden erreichen«, sagte der Pförtner.
    »Haben Sie eine Handynummer von Tuula Palonen vorliegen?«, fragte Joentaa.
    »Moment.«
    Die Violinen setzten ein. Dann meldete sich der Pförtner wieder.
    »Nein«, sagte er.
    »Nein?«
    »Nein, tut mir leid.«
    »Danke«, sagte Joentaa und wählte erneut Sundströms Handy an.
    »Kimmo?«
    »Es gibt was Neues, Kari ist hier«, sagte er.
    »Ja?«
    »Das Profil von Turnschuhen. Größe 38.«
    »Wie bitte?«
    »38.«
    »Das ist ja eine Kindergröße.«
    »Nicht ganz.«
    Ein Schatten, dachte Joentaa. Er schloss die Augen und glaubte, ein Bild zu sehen. Hämäläinen lag in der Stille, in einer leeren Halle und verspürte keine Angst. Kein Fluchtimpuls bei Patrik Laukkanen. Mäkelä trat mitten in der Nacht an ein Auto heran und fragte, ob er helfen könne.
    »Ich werde nach Helsinki kommen«, sagte Joentaa. »Ich fahre gleich los. Wir brauchen alle Aufnahmen, die der Sender von der Talkshow hat, in der Patrik und Mäkelä aufgetreten sind. Alle Kameraperspektiven. Ich hoffe, dass das noch verfügbar ist.«
    »Aha. Und warum?«, fragte Sundström.
    »Ich glaube, dass die Frau, die wir suchen, im Publikum gesessen hat.«
59
    Das Bild zu verhüllen mit einem weißen Tuch. Unter dem Tuch liegt ein Mann. Der Mann hat ein Bein. Das Bein ist ein Stumpf. Die Auswahl am Frühstücksbuffet ist riesig.
    »Schmeckt’s?«, fragt Olli Latvala.
    Sie nickt.
    »Darf ich mich setzen?«, fragt Olli Latvala.
    »Ja … natürlich«, sagt sie.
    »Ich bin etwas früher dran, weil wir ein wenig der Zeit hinterherhinken. Ich muss gleich nochmal zum Bahnhof, um Kapanen abzuholen. Den Schauspieler, der im letzten Bond den neuen Beißer gegeben hat.«
    »Ah«, sagt sie.
    Ilmari hat diese Filme gemocht. Ihm zuliebe hat sie sich einige angesehen. Perfekte Welt, hat sie immer gedacht. Einfache Welt, und Ilmari war verärgert, weil sie sich über seine Begeisterung amüsiert hat. Ein Finne in der Rolle des Bösen, das hätte ihn sicher interessiert.
    »Sieht gut aus. Ich könnte auch was vertragen. Ich glaube, ich schleiche mich mal ganz unauffällig ans Buffet ran«, sagt Olli Latvala.
    Sie sieht ihm nach.
    In einem Bereich außerhalb ihres Blickfeldes lachen Menschen. Sie sind bei ihr, neben ihr, über ihr, unter ihr, aber sie kann sie nicht sehen. Sie hört nur ihr Lachen. Sie versucht, mitzulachen.
    Das Tuch wird niedergesenkt und wieder angehoben. Jetzt kann sie das Gesicht sehen. Den Ausdruck in den geschlossenen Augen.
    Olli Latvala kehrt zurück und macht sie mit dem Ablauf des Tages vertraut, während er Rührei mit Speck verschlingt.
    »Im Schema sind Sie an fünfter Stelle«, sagt er. »21.15 Uhr. Aber das kann sich noch kurzfristig ändern.«
    Sie nickt.
    »Wir machen es so: Ich selbst hole sie um 17 Uhr hier im Hotel ab und werde Sie dann sozusagen bis zum Bühnenvorhang begleiten.«
    »Danke«, sagt sie.
    »Nur auf der Bühne kann ich mich nicht blicken lassen«, sagt er. »Aber da sind Sie ja bei Kai-Petteri Hämäläinen in besten Händen.«
    Sie nickt.
    »Er ist wirklich großartig, gerade im Gespräch mit Menschen …« Er bricht ab und scheint nach den richtigen Worten zu suchen. »Gerade im Gespräch mit Menschen, die etwas Schlimmes erlebt haben.«
    »Ja«, sagt sie.
    »Wir sind alle sehr froh, dass er die Sendung heute machen kann. Sie wissen ja sicher … was ihm passiert ist.«
    »Natürlich«, sagt sie.
    Olli Latvala leert seine Kaffeetasse und steht auf. »Ich bin an solchen Tagen immer ziemlich hibbelig, entschuldigen Sie. Werde jetzt mal zum Bahnhof fahren. Schauspieler soll man ja nicht warten lassen, schon gar nicht, wenn sie das Privileg genießen, James Bond an die Gurgel zu gehen. Wir sehen uns um fünf?«
    Sie nickt.
    »Bis dann«, sagt Olli Latvala und lächelt, bevor er mit langen Schritten die Lobby durchquert.
60
    Am späten Vormittag kam Tuula und brachte Raafael Mertaranta höchstpersönlich

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