Im Winter der Löwen
dachte an Tuomas Heinonen und an die alte Frau, die Pizza gebacken hatte, und an die kichernden Kassiererinnen in der Tankstelle und an die Straße, die ans Wasser führte, und dann an das, was Erkki Koivikko gesagt hatte.
Es liegt fünfzehn Jahre zurück.
Auf der Bahre im Fernsehen …
Unkenntlich, hatte Vaasara gesagt. Mit Sicherheit unkenntlich. Lebensecht, aber unkenntlich. Tücher, die angehoben und niedergesenkt wurden. Männer, die lachten.
Auf der Bahre im Fernsehen …, hatte Koivikko gesagt. War ins Bad gegangen, hatte sich übergeben und den Rest der Sendung angesehen.
Joentaa richtete sich abrupt auf, und Grönholm hob fragend den Blick. »Alles klar?«
»Vielleicht war es gar nicht im Fernsehen«, sagte Joentaa.
»Wie bitte?«, fragte Grönholm.
»Es muss unmittelbar gewesen sein.«
»Aha?«
»Unmittelbar. Kein Bildschirm dazwischen«, sagte Joentaa.
»Aha«, sagte Grönholm noch einmal.
Joentaa nahm das Telefon und wählte die Nummer von Hämäläinens Redakteurin, Tuula Palonen. Niemand nahm ab. Er versuchte es erneut, ohne Erfolg. »Das gibt es doch nicht, da muss doch jemand sein«, sagte Joentaa und versuchte es nach wenigen Sekunden ein weiteres Mal.
»Was ist denn?«, fragte Grönholm.
Es klingelte und klingelte, und niemand nahm ab.
»Ich will anfragen, ob die noch Archivmaterial von der Sendung haben. Die nehmen ja immer auch das Publikum auf.«
»Welche Sendung und welches Publikum denn?«, fragte Grönholm.
Er suchte nach der Liste, die täglich aktualisiert wurde und auf der für die Ermittlung wichtige Namen und Kontaktdaten verzeichnet waren. Unter Tuula Palonen war keine Handynummer verzeichnet.
»Das gibt es nicht, verdammt.«
»Was ist denn, Kimmo?«, fragte Grönholm.
»Die hat doch fünf Handys, an jedem Ohr eines«, sagte Joentaa.
»Man hat nur zwei Ohren, Kimmo.«
»Was?«
»Zwei. Man hat nur zwei Ohren«, sagte Grönholm.
Er wählte Sundströms Handy an, der sich sofort meldete.
»Kimmo, was gibt’s?«, fragte Sundström. Der Geräuschkulisse nach zu urteilen, war er mit dem Auto unterwegs.
»Ich habe versucht, Tuula Palonen oder einen Kollegen in Hämäläinens Redaktion zu erreichen, aber da nimmt niemand ab.«
»Wundert mich nicht, die sind alle mit der Sendung am Abend beschäftigt. Das ist ein Promitreffen erster Güte, die drehen alle am Rad. Es gibt Neuigkeiten, ich bin auf dem Weg zu Vaasara, dem Assistenten und Lebenspartner von Mäkelä.«
»Ja …«
»Hat versucht, sich umzubringen.« Joentaa schwieg. Er dachte an die müde, monotone Stimme am Telefon, in der Nacht, in der er Vaasara angerufen hatte.
»Dilettantisch. Es geht ihm bestens«, sagte Sundström.
»Ja«, sagte Joentaa.
»Hat sich wie ein Weib die Pulsadern aufgeschnitten, und dann hat er Angst bekommen und den Notarzt verständigt.«
Er dachte an Leena. Und an das Baby, Kalle. An Patrik Laukkanen, der Hämäläinen von Kalle erzählt hatte, stolzer Vater, noch bevor das Baby geboren war.
»Ich kann dir jetzt mit Tuula Palonen beim besten Willen nicht weiterhelfen«, sagte Sundström.
»Ich brauche aber etwas von ihr. Richte ihr bitte aus …«
»Ich sehe sie erst am Nachmittag.«
»Das ist zu spät. Hast du eine Handynummer?«
»Nein.«
»Das gibt es doch nicht, verdammt. Ich rufe nochmal beim Sender an, die sollen jemand von dieser Redaktion auftreiben.«
»Worum geht es denn?«
»Weiß ich noch nicht. Bis nachher.«
»Kimmo …«
Joentaa unterbrach die Verbindung und wählte gleich darauf die zentrale Nummer des Senders. Einer der Pförtner meldete sich und sagte, er werde ihn verbinden. Joentaa hing in der Warteschleife und hörte klassische Musik. Geigen und Klavier. Im Augenwinkel nahm er wahr, dass Kari Niemi das Büro betrat und mit Grönholm redete.
Die Pausenmusik nahm kein Ende, und Grönholm starrte Niemi an, als könne er irgend etwas nicht glauben.
Joentaa legte das Telefon zur Seite.
»Gibt es was Neues, Kari?«, fragte er.
Niemi nickte. »Wir haben die kontaminierten Spuren von den verwertbaren getrennt, so gut es ging. Die Jungen, die Patrik gefunden haben, haben Abdrücke hinterlassen. Turnschuhe, etwa Größe 37. Wir konnten aber noch ein drittes Profil von den beiden anderen abgrenzen.«
»Aha?«
»Turnschuhe«, sagte Niemi. »Größe 38.«
»Aha«, sagte Joentaa.
»Es war ungeheuer schwer, weil die Profile fast identisch sind, aber wenn wir recht haben, hat der Täter Schuhe der Größe 38 getragen.«
Joentaa nickte.
»Der Eintrittswinkel
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