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Im Winter der Löwen

Titel: Im Winter der Löwen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Costin Wagner
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fuhr ins Büro. Der letzte Tag des Jahres begann strahlend blau wie die vorangegangenen. Wattiger Neuschnee unter der Sonne. Petri Grönholm saß am Schreibtisch und sagte, dass sich Tuomas Heinonen krankgemeldet habe.
    »Was?«, sagte Joentaa.
    »Krank. Hörte sich nach einer heftigen Grippe an.«
    »Scheiße«, murmelte Joentaa.
    »Ich habe alles, was Tuomas heute abarbeiten wollte, delegiert«, sagte Petri Grönholm.
    »Hm? Ja … ja, gut.« Er stand unschlüssig. Er musste Tuomas anrufen. Oder Paulina. Oder beide. Er ging hinunter in die Cafeteria und saß eine Weile neben dem großen Weihnachtsbaum, der in den nächsten Tagen abgeholt werden würde. Er sah den Empfang und die Stelle, an der Larissa gestanden hatte am Weihnachtsabend. Heute war alles anders. Der Empfang war gleich mit drei Kollegen besetzt, in den Gängen herrschte ein stetiges Stimmengewirr, und Larissa fehlte. Auf dem Tisch stand immer noch eine Schüssel mit Keksen. Sterne aus Teig. Joentaa nahm einen und schmeckte den Ahornsirup auf der Zunge. Er wählte. Er dachte darüber nach, was er Tuomas sagen würde, als Paulina abnahm.
    »Hallo … Paulina, hier ist Kimmo.«
    »Kimmo, schön dass du anrufst. Tuomas ist … krank.«
    »Ja, Petri hat es mir schon gesagt. Ist denn … könnte ich denn …«
    »Grippe«, sagte Paulina. »Es hat ihn richtig erwischt.«
    »Ja«, sagte Joentaa. »Paulina … ich … ich weiß ja Bescheid … du musst nicht …«
    »Worüber weißt du Bescheid?«, sagte Paulina mit plötzlicher Schärfe in der Stimme.
    »Tuomas hat mit mir über … die Spielsucht gesprochen. Ich dachte, das wüsstest du …«
    »Tuomas hat Grippe«, sagte Paulina.
    »Ja. Kann ich mit ihm sprechen?«
    »Es geht ihm nicht gut.«
    »Ich möchte gerne mit ihm sprechen. Ich möchte mit euch beiden sprechen, ich denke, dass ihr etwas tun müsst …«
    Paulina schwieg, dann lachte sie schrill auf, und Joentaa dachte, dass er keine Ahnung hatte. Er wusste nicht, was mit Tuomas und Paulina passierte, und er würde ihnen nicht helfen können. Plötzlich war Tuomas in der Leitung.
    »Kimmo?«
    »Ja. Grüß dich. Ich wollte nur fragen, wie es dir geht. Ob alles … in Ordnung ist …«
    »Sicher«, sagte Heinonen.
    Joentaa schwieg.
    »Ich habe Grippe. Muss heute mal aussetzen.«
    »Tuomas … hast du verloren?«
    »Grippe. Muss aussetzen.«
    »Ja.«
    »Mach’s gut, Kimmo.«
    »Ich würde dir gerne helfen. Ich glaube, dass du schnell etwas tun musst, um diese Sache zu bewältigen.«
    »Sicher«, sagte Heinonen.
    »Denk an Paulina. Und die Kinder«, sagte Joentaa.
    »Mach ich«, sagte Heinonen. Er sprach seit Beginn des Gesprächs in ein- und derselben Tonlage. Leise und monoton.
    »Ich wünschte, ich könnte irgendwas sagen, das dir weiterhilft«, sagte Joentaa.
    »Bis morgen«, sagte Heinonen.
    »Tuomas?«
    Heinonen hatte die Verbindung unterbrochen.
    Joentaa ging zurück ins Büro und dachte, dass er mit Paulina sprechen musste. Er musste sie dazu bringen, das Geld zu sichern. Alles, was da war. Sobald Tuomas kein Geld mehr hatte, auf das er zugreifen konnte, würde er nicht mehr spielen können. So einfach war das.
    Grönholm brütete über den Akten, als er ins Büro zurückkehrte. Er hob den Blick, als Joentaa eintrat.
    »Ich glaube nicht, dass wir so weiterkommen«, sagte er.
    Joentaa ging zu seinem Schreibtisch, nahm die Stapel mit Päivi Holmquists Ausdrucken und ordnete sie neu an.
    »Das Ereignis liegt noch nicht lange zurück«.
    »Was?«, fragte Grönholm. »Wir konzentrieren uns jetzt ganz auf die am nächsten zurückliegenden. Vermutlich im Lauf dieses Jahres«, sagte Joentaa.
    »Das haben wir doch ohnehin gemacht. Ich habe mich jedenfalls von den aktuelleren Fällen zu den älteren vorgearbeitet.«
    »Ja, aber wir konzentrieren uns ab sofort ausschließlich auf die zeitlich näher liegenden Ereignisse«, sagte Joentaa.
    »Und warum?«, fragte Grönholm.
    »Weiß ich nicht«, sagte Joentaa.
    »Eine Kimmo-Joentaa-Antwort«, sagte Grönholm. Joentaa setzte sich und las Päivis Auflistung. Nur drei der von ihr recherchierten Fälle lagen weniger als zwei Jahre zurück. Zwei Todesopfer beim Absturz einer kleinmotorigen Maschine in Tampere, vier finnische Opfer beim Absturz eines Passagierflugzeugs in Estland, ein Todesopfer bei einem Zugunglück in der Nähe von Paimio. Er betrachtete die Namen und Daten und dachte, dass sie keine Bedeutung hatten.
    »Ich weiß wirklich nicht, ob wir hier richtigliegen«, sagte Grönholm.
    Joentaa nickte und

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