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Im Wirbel der Gefuehle

Titel: Im Wirbel der Gefuehle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Blake
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an der Wand herunterhing. Sie presste ihre Lippen zusammen und trat auf die Veranda in die frische Abendluft hinaus.
    Alles, was sie in der Dunkelheit wahrnehmen konnte, war ein sich bewegender Schatten unter der großen Eiche, als das Mondlicht durch die im Abendwind rauschenden Blätter schien. Sie presste sich mit dem Rücken an die Hauswand, wartete und versuchte, sich in Geduld zu üben.
    Dort. Ein grauer Umriss, wie ein Geist löste er sich von einem Baumstamm. Der Schatten bewegte sich in Richtung Scheune, und zwar trotz der Dunkelheit mit erstaunlicher Sicherheit, so als ob er die Örtlichkeit gut kennen würde. Einen Moment später war der Spuk vorüber, und der Schatten wurde eins mit der Nacht.
    Marguerites loup-garou. Es war eindeutig kein Werwolf oder irgendein Geist, aber vor allem kein Produkt einer kindlichen Fantasie.
    Es war ein Mensch.
    Sie wollte unwillkürlich losschreien, das ganze Haus alarmieren, doch trotz des inneren Dranges, ihrer Panik Ausdruck zu verleihen, blieben ihr die Worte im Halse stecken, sie brachte keinen Laut hervor. Ihre Zunge fühlte sich bleiern an, und ihr Herz raste.
    Ihr Schrecken war so groß, dass sie sich nicht rühren konnte, und vor allem beschäftigte sie die Frage, wer dieser loup-garou wohl sein mochte.
    Reine ging zurück ins Haus und zu ihrer Tochter, an deren Bett sie solange wachte, bis diese wieder ganz eingeschlafen war. Sie ließ die Verbindungstür zwischen dem Kinderzimmer und ihrem Schlafgemach einen Spalt weit offen und legte sich wieder hin, doch an Schlaf war nach dieser Aufregung nicht zu denken. Während sie hellwach in ihrem Bett lag, sah sie vor ihrem inneren Auge immer wieder den Schatten dieses Mannes, der sich langsam vom Haus entfernte. Sie fragte sich, welcher teuflische Mensch wohl nachts in ein Kinderzimmer einbrechen würde, ohne Rücksicht darauf zu nehmen, was für einen Schrecken er dadurch verbreitete. Angestrengt suchte sie nach einer passenden Erklärung für ein solches Verhalten, doch ihr fiel kein wirklicher Grund ein, warum jemand so etwas tun sollte, allein eine ungewisse Ahnung stieg in ihr auf. Abgesehen davon quälte sie vor allem die Frage, wie sie nun weiter vorgehen sollte, doch im Moment fand sie darauf auch keine Antwort.
    Der Morgen brach an, und sie war noch immer unentschlossen. Als die Sonne schließlich am Himmel stand, hatte Reine das Problem mit den ersten Strahlen aufgehenden Gestirns zunächst einmal ausgeblendet.
    Das Dampfschiff J.T. Danson, auf dem Weg nach Natchez, legte am Landungssteg von River’s Edge an.
    Es wurden, wie vorgesehen, drei große Fässer mit Rum abgeladen, aber auch ein Leichnam, den die Besatzung ein oder zwei Meilen weiter flussabwärts aus dem Wasser gefischt hatte.
    Es war Kingsley. Der Aufseher hatte eine durchstoßene Brust. Die klaffende Wunde sah ganz danach aus, als ob sie durch einen Degen verursacht worden war. Die Leiche wurde im gleichen Flussabschnitt gefunden wie einst Theodore und war ebenfalls in einem äußerst unschönen Zustand, da sie womöglich bereits seit mehreren Tagen im Wasser getrieben war.
    Mit Bestürzung und Abscheu beobachte Reine von der oberen Galerie aus, wie der Tote in einen Wagen geladen und in die kühle Scheune gebracht wurde. Immerhin wurde ein Teil ihrer so brennenden Fragen von heute Nacht damit beantwortet, dachte sie. Der Aufseher konnte definitiv nicht der loup-garou von Marguerite sein.
    Der Sheriff kam noch vor der Mittagsstunde auf River's Edge an. Reines Vater hieß ihn auf der Veranda willkommen und bot ihm Kaffee, Wein und Kuchen an. Trotz aller Herzlichkeit kam er selbst gleich zum Kern der Sache und schilderte dem Gesetzesvertreter freimütig wie Monsieur Kingsley vor ungefähr zwei Wochen leider aus seiner Position als Aufseher der Plantage entlassen werden musste. Nach einigem Nachfragen seitens des Ordnungshüters erklärte Monsieur Cassard auch den peinlichen Grund der Kündigung. Vielleicht war der Aufseher auch recht enttäuscht und wütend über seinen Rausschmiss, suggerierte der Sheriff. Oder, wenn man den aufbrausenden Charakter des Herrn in Betracht zog, war er bei einer seiner Auseinandersetzungen dieses Mal womöglich an den Falschen geraten?
    Aber ja, ein Sheriff musste selbstverständlich Untersuchungen über den Fall anstellen. Er sollte sich in seiner Arbeit nicht behindert fühlen und hätte selbstredend die Erlaubnis, jeden auf River’s Edge nach Belieben zu befragen. Auch Monsieur Lenoir, der Bräutigam seiner

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