Im Wirbel der Gefuehle
die ihre Bedürfnisse nicht unter Kontrolle hätte, noch die Peinlichkeit riskieren, nachts außerhalb ihres Zimmers in eindeutiger Absicht angetroffen zu werden. Vor allem würde sie auch nicht ertragen, dass diese wunderbare Magie, die zwischen ihr und Christien zu spüren war, durch familiäre Missbilligung und Tadelung beschmutzt würde.
Der Tag der Hochzeit rückte sowieso immer näher.
Direkt im Anschluss würde die Hochzeitsnacht folgen und die drei Tage der ehelichen Klausur mit ihrem frischgebackenen Ehemann. In dieser Zeit der Zurückgezogenheit wäre dann sicherlich genug Zeit für Leidenschaft und reine Sinnesfreuden ohne Hindernisse und Hemmungen. Es war schon reichlich seltsam, dass sie sich so nach der Ehe mit diesem Mann sehnte, der immerhin fast ein Fremder war und womöglich auch ganz andere Absichten als sie verfolgte. Das hätte sie vorher nie gedacht, dass es einmal so weit kommen würde. In jedem Fall musste sie jetzt noch ein wenig Geduld haben und abwarten.
Es war schließlich die fünfte Nacht, seit Christien wieder auf den Beinen war und sein Krankenbett verlassen hatte, als Marguerites nächtliche Heimsuchungen wiederkehrten. Reine war an diesem Abend vor Erschöpfung eingeschlafen und wachte nach ein, zwei Stunden völlig gerädert wieder auf. Sie hatte sich auf ihren Kissen gewälzt und in den Laken verheddert, so unruhig war ihr Schlaf gewesen. Schließlich starrte sie mit weit aufgerissenen Augen in die Dunkelheit ihres Zimmers, während ihre Gedanken in endlosen Schleifen um die nicht mehr fassbaren Qualen der Nacht kreisten. Völlig durchgeschwitzt und außer Atem hing sie ihren schrecklichen Albträumen nach, ohne sich präzise an irgendeine Handlung erinnern zu können.
Als sie dann, um sich wieder zu sammeln, aufrecht im Bett saß, hörte sie plötzlich, wie Chalmette zu knurren begann. Es war ein eher leises, aber stetiges Geräusch, ähnlich wie beim Durchsägen eines Baumstammes.
Reine war sofort aufs Höchste alarmiert. Sie schob hektisch die Bettdecke zur Seite und schlich dann durch die Verbindungstür ins angrenzende Kinder-zimmer, wobei sie trotz ihrer Besorgnis und Nervosität bemüht war, jedwedes Geräusch zu vermeiden.
Als sie schließlich mitten im Zimmer stand, dachte sie, dass es wohl klüger gewesen wäre, wenn sie sich vorher noch die Zeit genommen hätte, eine Kerze anzuzünden. Der Raum war ziemlich düster, denn die Fensterläden waren ganz geschlossen, sodass das fahle Mondlicht nur durch die Zwischenräume der Lamellen schimmerte. Obwohl alles wie ein Kinderzimmer eingerichtet war, unschwer an dem üblichen Schaukelstuhl, dem Puppenbett und den herumliegenden Spielsachen zu erkennen, schien es doch etwas zu groß geraten zu sein für einen so kleinen Bewohner, zumal das riesige Bett mit Baldachin einen dunklen Schatten gegen die Wand warf und leicht bedrohlich wirkte.
Chalmette hatte inzwischen zu knurren aufgehört und trottete aus seiner Schlafecke am Bettende auf sie zu. Er stupste sie mit seiner feuchten Schnauze am Knie. Beruhigend tätschelte sie seinen großen Kopf und fuhr ihm mit den Fingerspitzen durch sein Fell. Trotzdem blieb sie angespannt und hörte in die Dunkelheit hinein.
Nichts.
»Marguerite, cherie !«, rief sie flüsternd.
Erst raschelte die Bettdecke, dann drang eine verschlafene Stimme an ihr Ohr.
»Maman?«
Reine war unendlich erleichtert und atmete auf. Sie versuchte, so normal wie möglich zu klingen und ihre Anspannung, die sich nur langsam legte, zu vertuschen. »Habe ich dich aufgeweckt? Das tut mir leid. Ich dachte, ich hätte Chalmette gehört.«
»Ja, aber es ist jetzt alles wieder in Ordnung. Der loup-garou war da, doch Chalmette hat ihn vertrieben.«
Diese so leicht dahingesagten Worte jagten Reine einen Schauer über den Rücken. »Hat er das, cherie? Einen Moment noch, dann bin ich gleich zurück.«
Zügig schritt sie in die Empfangshalle hinunter und sah, dass die Eingangstür einen Spalt weit offen stand. Leicht verärgert über diese Nachlässigkeit ging sie hin, öffnete die schwere Tür ganz und starrte gedankenverloren in die Dunkelheit.
Nichts bewegte sich, zumindest konnte sie nichts erkennen. Die Schwingtüren, die zur rückseitigen Veranda gingen, waren geschlossen, und durch die doppelten Glasscheiben schien das fahle Mondlicht herein. Mit ein paar Schritten war sie vor der Tür und bemerkte, dass die dünne Eisenstange, die normalerweise diesen Zugang absicherte, nicht eingehakt war, sondern rechts
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