Im Wirbel der Gefuehle
Ihr Blick streifte für einen Augenblick seine Augen, doch dann wandte sie ihn wieder zur Seite. »Für dich aber wohl nicht?«, fuhr sie fort.
»Nicht so wirklich.«
»Nein, ich war auch nicht überrascht.«
Er blickte sie scharf von der Seite her an. »Was sagst du da?«
»Ich hätte dir das schon früher sagen sollen«, sie schüttelte versonnen den Kopf. »Ich möchte das wiedergutmachen, jetzt, wo sowieso alles anders gekommen ist.«
Er war sich plötzlich gar nicht mehr so sicher, ob er das überhaupt hören wollte. Es gab einfach zu viele Geheimnisse hier auf River’s Edge, auch wenn einige davon ziemlich harmlos waren. Er drehte sich zu ihr um, lehnte sich erneut an den Stützpfosten an und ver-schränkte die Arme vor der Brust, ganz in Erwartung, was sie nun zu sagen hätte.
Sie trat an die Brüstung neben ihn, legte eine Hand auf das Geländer, die andere darüber und starrte sinnierend in den Regen hinaus.
Ihre fühlbare Nähe warf ihn fast aus dem Gleichgewicht. Ob dieser nicht kontrollierbaren Schwäche, seufzte er still vor sich hin. Der verführerische Duft von Lavendelparfum stieg ihm in die Nase, und der warme Geruch von Weiblichkeit legte sich über seine Sinnesorgane. Es kostete ihn wirklich große Anstrengung, bis er seine Gedanken wieder geordnet hatte und einen vernünftigen Satz von sich geben konnte.
»Um was handelt es sich bei der Sache, die du mir erzählen wolltest? Vielleicht, warum du wusstest, dass dein Ehemann noch lebt?«
»Nun, wissen ist vielleicht ein wenig zu viel gesagt«, antwortete sie stirnrunzelnd. »Seit ungefähr zwei Tagen ahnte ich davon.«
»Wie kam es dazu?«
Sie erzählte ihm, wie sie Chalmette in jener Nacht knurren gehört hatte, daraufhin in Marguerites Zimmer gegangen war, und als sie aus dem Fenster blickte, diese merkwürdig vertraute Gestalt in der Dunkelheit zu erkennen glaubte; wie die Kleine schließlich behauptete, dass der loup-garou dagewesen wäre, aber Chalmette ihn vertrieben hätte.
»Glaubst du, Theodore war der loup-garou, von dem Marguerite immer Albträume hatte.« Er fühlte, wie sein Herz wieder ruhiger schlug, denn Reines Wissen um Theodores Maskerade als Toter schien sich offensichtlich nicht so weit zu erstrecken, als dass sie darüber Bescheid wüsste, wie alles begann.
Ihre Augen funkelten einen Moment lang im fla-ckernden, blauen Licht, das vom Flur herüberstrahlte, als sie ihm einen kurzen Blick herüberwarf. »Ich habe versucht, ihn zu entschuldigen, mir eingeredet, dass es ihm zusteht, väterliche Gefühle für die Kleine zu hegen. Vielleicht hatte er sie nur sehen wollen, sich nur kurz in ihr Zimmer geschlichen, um einen Blick auf seine schlafende Tochter zu erhaschen.« Sie ballte ihre Finger zu Fäusten und schlug auf das Geländer vor sich. »Aber wie konnte er es nur ertragen, sie weinen zu hören, sobald sie ihn sah? Wie konnte er sie nur so zu Tode erschrecken, sie glauben lassen, dass sie einen Albtraum hätte? Wieso verstand er nicht, was er ihr damit antat? Was für ein Monster, wie konnte er nur davon ausgehen, dass seine väterlichen Gefühle wichtiger seien als das Wohlergehen seines Kindes?«
Diese Fragen waren nicht zu beantworten, und Christien ging nicht weiter darauf ein. »Immerhin hat Chalmette ihn dieses Mal vertrieben.«
Sie nickte, immer noch unglücklich. »Er kennt natürlich Theodore, aber zwischen den beiden hatte noch nie eine gegenseitige Zuneigung bestanden. Wenn Theodore zu Besuch war, hat er ihn meistens getreten, weil er ihm angeblich im Weg stehen würde. Als Paul und Theodore einmal aufeinander losgingen, weil er den Hund immer so schlecht behandelte, da hat Chalmette sogar zugebissen.«
»Hunde haben ein sehr feines Gespür für Menschen«, schob Christien ein, »vor allem, wenn es darum geht, diejenigen zu beschützen, die sie mögen. Aber warum hast du mich nicht gerufen, als du glaubtest, Theodore gesehen zu haben? Oder mir nicht zumindest später davon erzählt? «
Ich dachte, du würdest sowieso nicht glauben, dass der loup-garou wirklich existiert. Mehr noch, ich hatte keine Ahnung, was du tun würdest.«
»Was ich getan hätte?«, fragte er, seinen Ärger nur schwer unter Kontrolle haltend.
»Was wohl, ich hätte dieses Gespenst aus dem Haus gejagt und Marguerite gezeigt, dass sie vor so etwas keine Angst haben müsste.«
»Es wäre wohl keine so zuträgliche Aufklärung gewesen, wenn sich dabei herausgestellt hätte, dass der loup-garou jemand war, der eigentlich tot sein
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