Im Wirbel der Gefuehle
hatte er seit seiner Ankunft auf River’s Edge nichts anderes getan, als sie für seine Zwecke auszunutzen.
Das ungleiche Paar entschwand langsam aus dem Lichtkegel der Kapelle, bis nur noch die hell schimmernden Kleider der beiden in der abendlichen Dunkelheit zu erkennen waren. Christien sah ihnen hinterher, schließlich verblassten sie ganz, wurden eins mit der Nacht.
Seine Enttäuschung war groß, und der Stachel saß tief, doch dann richtete er seine ganze Konzentration auf das bevorstehende Duell und den Mann, der wieder Reines rechtmäßiger Gatte werden wollte. Das war natürlich nur möglich, wenn er ihn nicht vorher töten würde.
Theodore setzte sich langsam in Bewegung und schien die Absicht zu haben, seiner Frau und seiner Tochter hinterherzugehen. Er knirschte mit den Zähnen und blickte äußerst grimmig drein, fest entschlossen, ihnen zu folgen.
»Das würde ich nicht tun«, warnte ihn Christien in fast sanftem Ton. »Sie sind dort nicht mehr willkommen. Außerdem haben wir hier noch etwas zu regeln.«
Theodore blickte so verzweifelt drein, dass Christien für einen kurzen Augenblick einen Hauch von Mitgefühl für ihn verspürte, der sich jedoch in dem Moment wieder verflüchtigte, als jener wieder zum Sprechen anhob.
»Früher wären sie vor mir nicht davongelaufen, erst seit Sie hier sind, ist alles anders.«
»Sie hätten die Wiederauferstehung etwas eher planen sollen, warum sind sie nicht schon früher erschienen?«
»Ich bin eben jetzt hier«, gab Theodore trotzig zur Antwort, ohne auf die Frage einzugehen. Er musterte Christien von oben bis unten und auch sehr genau seinen Brustkorb, dort, wo er von der Pistolenkugel getroffen worden war. »Meine Sekundanten werden Ihnen Bescheid geben.«
»Ganz, wie Sie wünschen.«, ergänzte Christien in bedrohlich leisem Ton. »Ihr Freund Kingsley wird wohl nicht dazugehören. Wie schade.«
»Er ist kein großer Verlust, schließlich war er ja auch kein Ehrenmann.«
Nur wenige Menschen wären für Theodore Pingre ein Verlust, dachte Christien. »Wenn ich mich recht erinnere, hatten Sie diese Ausrede bereits vor zwei Jahren angeführt, als Sie Vinot zum Duell herausforderte«, sagte er. »In Ihren Augen bin ich ja auch kein Ehrenmann, aber Sie haben doch zugestimmt, sich mit mir zu schlagen.«
Theodores Lippe zuckte, und er deutete ein verächtliches Lächeln an. »Auch ein Ehrenmann muss sich hin und wieder dazu herablassen, eine Schlange zu töten.«
Christien hätte diese Beleidigung vielleicht noch mehr getroffen, wenn er nicht fühlte, dass sie ein Fünkchen Wahrheit enthielt. Der Punkt war, dass Theodore Pingre die Absicht hatte, ein Duell auf Leben und Tod zu führen und nicht nur, bis einer der Kombattanten verwundet war. Christien deutete eine Verbeugung mit dem Kopf an und erwiderte: »So mag er es denn versuchen.«
In den Augen seines Gegenübers flackerte der blanke Hass auf, gepaart mit einer gewissen Hinterlistigkeit. »Dann bis zum vereinbarten Treffen«, sagte er leichthin, drehte sich um und verschwand durch die geöffnete Doppeltüre der Kapelle in den abendlichen Sommerregen, der nun einsetzte. Er schien voller Selbstbewusstsein, ganz so, als ob all seine heimlich geschmiedeten Pläne voll und ganz aufgingen.
Vielleicht war dem auch so, musste Christien ehrlicherweise zugeben. Theodore hatte zumindest die Hochzeit verhindert, und es war ihm gelungen, jeden Anspruch auf seinen Rang als Ehemann an der Seite von Reine zunichtezumachen. Keines von beidem kam unerwartet, trotzdem spürte Christien förmlich, wie die Wut auf diesen Mann in ihm emporstieg.
Die Sekundanten von Theodore würden wahrscheinlich in den frühen Morgenstunden auf River’s Edge erscheinen. Diese müssten dann mit seinen Leuten Ort und Zeit im Detail klären. Man würde sich auf zwei Ärzte einigen und diese bitten, dem Duell beizuwohnen, damit sie rechtzeitig Hilfe leisten könnten. Beiden Teilnehmern räumte man normalerweise genug Zeit ein, damit sie ihre Angelegenheiten regeln und ihren letzten Willen aufsetzen könnten. Alles in allem würde das Treffen dann wohl in ungefähr zwei Tagen anberaumt werden.
Eine bedrückende Stille lag über der Kapelle. Die
Leute sahen sich gegenseitig etwas verloren an, da sie nicht wussten, wie es unter diesen ungewöhnlichen Umständen nun weitergehen würde. Da es unerträglich ruhig blieb, raffte sich Monsieur Cassard schließlich auf und übergab seine ohnmächtige Frau Paul, der neben ihm stand. Mit
Weitere Kostenlose Bücher