Im Wirbel der Gefuehle
Sträuchern und wurde von wild wuchernden Glyzinien umrankt. Die Fensterscheiben waren fast blind und reflektierten nur die um die Hütte emporragenden Bäume. Auf der Türschwelle saß zusammengekauert eine getigerte Katze, die sich mit Würde davonschlich, als Reine durch die offene Tür eintrat und sich vorsichtig umsah.
Nichts rührte sich. Im einzigen Raum der kleinen Hütte roch es nach kaltem Rauch, Gebratenem und altem Bettzeug. Über der erloschenen Feuerstelle hing ein alter eisernen Kessel. An der Wand stand ein provisorisch zusammengenageltes Feldbett, bestehend aus einem hölzernen Rahmen, über den ein Tuch gespannt war. Das Möbelstück diente offensichtlich auch als einzige Sitzgelegenheit. Die rückseitige Tür war ebenfalls offen, und man sah zu einem umzäunten Garten hinaus. Neben dem Gartentor stand eine Bank, auf der sich ein Waschbassin befand. Gleich nebenan war eine
Leiter postiert, die zu einem kleinen Verschlag führte, der offensichtlich als Schlafplatz benutzt wurde. Am Zaunpfosten hing ein alter Mantel und darunter standen ein Paar zerschlissene Stiefel.
Die Stille war bedrückend, nur unterbrochen vom rhythmischen Summen einer Fliege, die an einer Fensterscheibe Einlass begehrte.
Hier war ganz offensichtlich niemand zu Hause. Die Hütte war schon seit Stunden oder sogar seit gestern nicht mehr betreten worden.
Reine drehte sich mit herumwirbelnden Röcken um und rannte zum Haupthaus zurück. Diesmal näherte sie sich jedoch von hinten. Vorsichtig stieg sie die Verandatreppen hinauf, die zum rückwärtigen Eingang führten. Die Flügeltüren waren nicht von innen verriegelt worden. Behutsam drehte sie am Türknauf, hielt den Atem an und versuchte, nicht daran zu denken, was es bedeutete, hier einzubrechen.
Bonne Esperance war nach französischem Vorbild errichtet worden, sodass alle Räume miteinander verbunden waren. Die einzige Möglichkeit, von einem Ende des Hauses zum anderen zu gelangen, ohne durch die zahlreichen Zimmer und Salons gehen zu müssen, war, dass man die zweigeschossige, umlaufende Galerie benutzte. Die große Tür, durch die Reine nun hineinschlich, führte zum Sommerspeisesaal, der sich auf beiden Seiten öffnen ließ, sodass während der größten Hitze die Luft ein wenig zirkulieren konnte.
Auch hier empfing sie wieder absolute Stille. Die Ecken waren von Spinnweben übersät, und auf den Tüchern, mit denen die Möbel abgedeckt waren, lag eine dicke Staubschicht. Der lang gestreckte Raum war so gottverlassen, dass es Reine schwerfiel, zu glauben, dass Theodores Mutter es je wirklich vorhatte, aus ihrer Sommerfrische in Frankreich noch einmal zurückzukommen.
Sie hatte ihren verletzten Sohn zurückgelassen, allein, nur von seiner alten Amme versorgt. Ob sie wirklich daran gedacht hatte, ihren Sohn nachkommen zu lassen, sobald ein wenig Zeit verstrichen wäre, so wie Theodore es darstellte, oder sie ihn sich nur vom Leibe halten wollte, damit sie nicht länger von ihm und seinen Skandalen behelligt würde? Reine wusste es nicht, obwohl sie als seine Frau es eigentlich hätte wissen sollen, dachte sie. Doch das war nur ein weiterer Baustein in der ganzen Tragödie ihrer Ehe.
Sie schüttelte diese unliebsamen Gedanken ab, machte einen Bogen um den verhüllten Esstisch und stakste über den zusammengerollten Teppich. Überall lagen getrocknete Tabaksblätter umher, die man gegen Insektenbefall ausgestreut hatte. Als sie mit ihren Rocksäumen darüberstreifte, entfalteten die Blätter einen staubig süßen Geruch. Sie unterdrückte ein Niesen und schritt zügig auf den Treppenaufgang zu, der sich zwischen dem Speisesaal und der Kammer des Butlers, im nördlichen Trakt des Hauses, befand. Sie nahm die Stufen, so schnell es ihr ratsam erschien und so leise es möglich war.
Die Treppe endete oben in einem Salon, wo sich noch mehr von Laken überdeckte Möbelstücke befanden. In diesem Hauptzimmer des ersten Stockwerks gab es ebenfalls Flügeltüren auf beiden Seiten, die auf die Galerie führten, ganz so wie im Erdgeschoss. Von dort konnte man vier Schlafzimmer erreichen, auf der Nordseite war das eheliche Schlafgemach, das sie sich einst mit Theodore teilte. In einer anderen Ecke des Hauses stand Marguerites Kinderbettchen, und ihre alten Spielsachen lagen auch herum, ganz so wie sie alles vor zwei Jahren verlassen hatte. Mütterlicher Instinkt und alte Gewohnheit ließen sie unwillkürlich darauf zugehen.
»Madame, warum sind Sie hier?«
Bei diesen Worten
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