Im Wirbel der Gefuehle
dass eine solche Ausrede gebraucht wurde.
»Ein Mann sucht sich seine Feinde nicht aus.« Theodore setzte zu einem weiteren Angriff an, der jedoch mehr von roher Gewalt als von Fechtkunst geprägt war, so als ob er seine grobschlächtige Rhetorik unterstreichen wollte.
Christien, der sich bis jetzt relativ mühelos verteidigen konnte, spürte nun den immer heftiger werdenden Schmerz in seiner Seite. Die Bandage schien nicht mehr zu halten, denn er spürte, wie sich ein warmes, feuchtes Rinnsal seinen Weg in seinen Hosenbund bahnte. »Und es gibt keine Feinde, die einem näherstehen als die Familie, ist es nicht so? Ich meine nur, ich habe so ein Gerücht gehört, dass Kingsley ihr Onkel war.«
»Dieser ungehobelte Kerl gehörte nicht zu meiner Familie.«
»Nein? Ihr ehrenwerter Großvater mochte darüber wohl anders gedacht haben. Aber mal angenommen, er gehörte nicht zu Ihrer Blutsverwandtschaft, dann war es auch nicht nötig, sich an all die üblichen Konventionen unter Ehrenmännern zu halten, oder? Welche List haben Sie angewandt, um ihn zu besiegen?«
Verachtung spielte um seine Mundwinkel. »Er war nur ein grobschlächtiger Bauer, der sich einbildete, ein Fechtmeister zu sein. Ich hatte keine List nötig.«
»Da bin ich wohl ein anderer Fall.«
»Sind Sie.«
»Allerdings ein Kind mit in diese Angelegenheit hineinzuziehen, ist wirklich kein ehrenhaftes Verhalten, sogar für Sie.«
»Nun, ich war mir nicht ganz sicher, wie gut Sie sind, deshalb habe ich es mir als eine kleine Rückversicherung ausbedungen. Aber ich denke, das wäre gar nicht nötig gewesen.«
Das war genau das, was Christien erreichen wollte, nämlich, dass Theodore seine Fähigkeiten nicht sehr hoch einschätzte. Gegen Ende hatte er versucht, das Gefecht auf ein Geplänkel zu reduzieren, er wehrte die gegnerischen Ausfälle nur noch ab und behielt seine guten Finten zunächst noch für sich. »Tatsächlich?«, fragte er mit gespielter Freundlichkeit. »Oder haben
Sie schon an ein paar weitere Vorkehrungsmaßnahmen gedacht, wie zum Beispiel ein Schuss aus dem Hinterhalt oder ein Schlag in den Rücken? Ich sollte Sie warnen, die Bruderschaft ist mehr als nur ein Name oder eine Handvoll Männer, die nachts gegen diejenigen kämpfen, die sich unehrenhaft und unmenschlich benehmen. Es ist ein Freundeskreis, der sich der Kühnheit, der Tapferkeit und der Ehre verschrieben hat, und falls einer von ihnen beleidigt wird, so stehen alle anderen bereit, um die erlittene Schmach zu vergelten, und zwar bis zum letzten Tropfen ihres Blutes.« Er lächelte seinen Kontrahenten todernst an. »Sehen Sie, wir wählen unsere Feinde.«
Auf der einen Seite, wo Dr. Laborde, der heute früh aus der Stadt angereist war, stand, sahen sich seine Sekundanten Gavin und Cain bedeutungsvoll an. Hinter ihnen gerieten Pasquale und der Conde de Lerida ebenfalls in Bewegung. Obwohl Christien ihnen nur wenig Aufmerksamkeit zukommen lassen konnte, da er gerade einen Ausfall seines Opponenten mit einer Terz parierte, schien es ihm, als ob sie alle aufs Höchste alarmiert wären, wie Soldaten kurz vor dem Gefecht, eine tödliche Phalanx von Freunden. Dann hörte er das unverkennbare Rasseln, als sie ihre Degen zogen.
»Es ist auf jeden Fall eine gute Tat, Sie zu töten«, lachte Theodore höhnisch.
»Oh, aber ich habe Ihnen noch nicht alles erzählt«, antwortete Christien, ohne dabei laut zu werden. »Jeder von ihnen liebt seine Frau und hängt an seinen Kindern, deshalb würde es auch keiner von ihnen ertragen, sie leiden zu sehen. Diese Feinfühligkeit zeigen sie auch gegenüber jedem anderen Kind, das in Not gerät und einsam im Dunkeln weint. Wenn sie davon erfahren, dass so jemand Schutzbedürftigem Leid an-getan wird, dann werden sie, ohne zu zögern, ihre Degen ziehen und gegen den Verursacher vorgehen. Sie würden nicht eher ruhen, bis jede vergossene Träne gerächt wäre.«
Theodore ebenfalls zu drohen, um ihn zu verunsichern, war das Einzige, was Christien in dieser Situation tun konnte. Doch er ließ seinen Worten auch Taten folgen und machte einen gekonnten Ausfall, in den er seine gesamte Erfahrung und Willensstärke legte. Der Vorstoß erfolgte mit größter Raffinesse, nun offenbarte er sein wahres Können und ließ Finte auf Finte folgen. Seine Klinge traf scheppernd auf Theodores Degen, sodass die Funken stoben, drückte diesen geschickt zur Seite, bis dieser ohne Deckung dastand und bohrte sich tief in das warme Fleisch seines
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